Anfang April wurde das Theater der Stadt Duisburg unter Wasser gesetzt. Nach vermutlich einem Bedienfehler versprühte die Sprinkleranlage 80 000 Liter Wasser und machte die Bühne vorerst unbespielbar. Das Wort „Bedienfehler“ verschleiert, dass das Problem woanders liegt: Im Juni 2014 wurde das Deutsche Theater in München geflutet, im Juli 2014 das Berliner Ensemble, im Oktober 2017 die Staatsoperette Dresden, im November 2017 das Theater in Arnsberg, im April 2018 der RheinMain CongressCenter in Wiesbaden. Und jetzt Duisburg. Täter war jedes Mal eine hypersensible Sprinkleranlage. Die Schäden liegen vielfach in Millionenhöhe. Der Funken einer Schleifmaschine, Bühnennebel, Pyrotechnik, schnelle Lichtwechsel, aber auch eine falsche Einstellung oder die Wartung – alles Mögliche kann den Alarm auslösen. In mehreren Fällen war danach der Automatismus der Sprinkleranlage nicht mehr zu stoppen und das Wasser ergoss sich ungehindert in die Räume.Wesko Rohde,Vorstandsvorsitzender der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft, hat auf der Seite „Nachtkritik“ darauf hingewiesen, dass die Leistungen oftmals von Stadtverwaltungen „ohne(…) jene Kenntnisse des Nutzers“ (also des Theaters) ausgeschrieben würden und die Aufträge an Firmen gingen, „die den Betrieb ebenfalls nicht kennen“. Das dürfte nur zum Teil richtig sein.
Das weit größere Problem liegt in den inzwischen völlig überzogenen Brandschutzmaßnahmen im Baugesetzbuch. Obwohl die Maßnahmen fast jährlich verschärft werden, sinkt die Zahl der Brandopfer kaum noch. Sie ist laut statistischem Bundesamt sowieso überschaubar. 2015 starben 343 Menschen durch Feuer, 444 dagegen durch Ertrinken. Ähnlich wie der Dämmschutz ist der Brandschutz inzwischen vor allem eine höchst profitable Industrie, die 2017 geschätzt circa 8,5 Milliarden Euro mit ihren Produkten umgesetzt hat. In den Ausschüssen für Brandschutz-DIN-Normen hat das Fachpersonal aus der Industrie seinen festen Sitz. Lobby-Vereine machen Druck. Bestes Beispiel war die Durchsetzung der Rauchmelder in Privatwohnungen, deren Wirkung zwar statistisch nicht eindeutig nachgewiesen ist, trotzdem sind die Dinger unter Decke inzwischen Pflicht. Für Theater gilt inzwischen: Nicht Brände, sondern Sprinkleranlagen richten in Theatern regelmäßig Millionenschäden an.
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