choices: Frau Katzenich, gibt es Lobbyismus auf kommunaler Ebene?
Nina Katzenich: Aber natürlich. Wenn es beispielsweise um Infrastruktur oder Bauprojekte geht, lohnt sich Lobbyismus auch dort.
Fällt Klüngeln unter Lobbyismus?
Klüngeln ist ein weiter Begriff. Aber wenn man mithilfe von Bekannten politischen Einfluss ausübt, fällt Klüngeln eindeutig unter Lobbyismus.
Wer interessiert sich für die Arbeit von Lobbycontrol?
Unseren Newsletter haben schon rund 10.000 Interessierte abonniert. Wir hoffen auf noch mehr interessierte Bürgerinnen und Bürger. Inzwischen hat uns auch die Lobbyszene entdeckt. Sie sieht in uns offenbar einen Faktor, mit dem sie rechnen muss.
Warum die Lobbies kontrollieren?
Gut organisierte Interessengruppen beeinflussen heute die Politik enorm. Insbesondere Wirtschaftsverbände und Großkonzerne verfügen oft über einen privilegierten Zugang zur Politik. Sie haben auch die nötigen Ressourcen, um sich gegebenenfalls Verbindungen und professionelle Beratung einzukaufen. Weniger gut ausgestattete Interessen kommen dabei unter die Räder. Deshalb fordern wir ein verpflichtendes Lobbyregister. Dort müssen sich alle, die bei der Politik Lobbying betreiben, mit Namen, Kunden, Budget und Thema eintragen. Bürgerinnen und Bürger sollen zumindest nachvollziehen können, wer mit wie viel Geld politische Entscheidungen beeinflusst.
Ist der Lobbyismus mit der Berliner Republik gewachsen?
Die Zahl der Lobbybüros von Unternehmen ist ebenso gewachsen wie die Zahl der sogenannten Public Affairs- und PR-Agenturen oder die der Politikberatungen. Das liegt weniger daran, dass es früher in Bonn so gemütlich war. Heute betreiben große Unternehmen meist ihr eigenes, individuelles Lobbying, weil die großen Verbände ihre Bindekraft verloren haben. Die Interessen in Sachen politischer Regelungen haben sich sehr diversifiziert.
Lobbycontrol spricht immer wieder von einem „koordinierten Lobbying hinter den Kulissen“.
So ist es. Nehmen Sie das Beispiel, dass über hundert Fachleute, die aus Unternehmen kamen und die von diesen weiter bezahlt wurden, vorübergehend in Bundesministerien gesessen und teilweise an Gesetzen mitformuliert haben, die ihre Arbeitgeber direkt betrafen. Am markantesten ist wohl der Fall eines BASF-Manager, der erst in der Europäischen Kommission und dann im deutschen Wirtschaftsministerium direkt an der Ausarbeitung der EU-Chemikalienrichtlinie „REACH“ beteiligt war. Parallel dazu hat die BASF massiv gegen diese Richtlinie Lobbying betrieben, weil sie zu sehr den Verbraucherschutz betonte. Mit Erfolg: Am Ende schützte die Richtlinie eher die Wirtschaft.
Hat sich bei dieser Leiharbeit jetzt etwas geändert?
Es ist auch weiterhin nicht verboten, dass von Unternehmen bezahlte Mitarbeiter vorübergehend in Ministerien arbeiten. Nur die Regeln dafür sind etwas strenger geworden.
Was unterscheidet Verbände von Lobbies?
„Lobby“ ist einfach der englische Ausdruck für Interessengruppen. Verbände fallen natürlich darunter.
Gehören Lobbyismus und PR zusammen?
Eigentlich ist Lobbyismus etwas, was im Verborgenen stattfindet, PR dagegen eine Strategie, um sich in der Öffentlichkeit ein möglichst positives Image zu schaffen. Inzwischen werden beide Felder oft miteinander verbunden und wirken dann sehr effektiv zusammen. Die Lufthansa hat zum Beispiel hinter den Kulissen massiv gegen die Ausdehnung des Emissionshandels auf den Luftverkehr agitiert. Begleitend dazu hat sie eine großangelegte Kampagne für ihre angeblich immer umweltfreundlichere Technik lanciert.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
„Tiefseebergbau ohne Regularien wäre ganz schlimm“
Teil 1: Interview – Meeresforscher Pedro Martinez Arbizu über ökologische Risiken des Tiefseebergbaus
„Wir müssen mit Fakten arbeiten“
Teil 2: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung
„Entweder flüchten oder sich anpassen“
Teil 3: Interview – Klimaphysiker Thomas Frölicher über ozeanisches Leben im Klimawandel
„Es liegt nicht am Gesetz, Kriminalität zu verhindern“
Teil 1: Interview – Kriminologe Dirk Baier über Gewaltkriminalität und Statistik
„Prüfen, ob das dem Menschen guttut“
Teil 2: Interview – Publizist Tanjev Schultz über ethische Aspekte der Berichterstattung über Kriminalfälle
„Eltern haben das Gefühl, sie müssten Buddhas werden“
Teil 3: Interview – Familienberaterin Nina Trepp über das Vermeiden von psychischer Gewalt in der Erziehung
„Ernährungsweisen verändern, ohne Zwang“
Teil 1: Interview – Tierethikerin Friederike Schmitz über vegane Ernährung
„Naturschutz wirkt“
Teil 2: Interview – Biologin Katrin Böhning-Gaese über Biodiversität, Wildtiere und Naturschutz
„Sie verstehen uns“
Teil 3: Interview – Tierhistorikerin Mieke Roscher über die Beziehung zwischen Menschen und Tieren
„Was nicht erlaubt ist: Druck ausüben“
Teil 1: Interview – Autor Sebastian Schoepp über Freundschaften
„Bin ich eifersüchtig oder eher neidisch?“
Teil 2: Interview – Paarberaterin Sonja Jüngling über sexuelle Kontakte außerhalb einer Paarbeziehung
„Mit dem ersten Kind nimmt die Ungleichheit zu“
Teil 3: Interview – Soziologe Kai-Olaf Maiwald über Ehe, Familie und Geschlechterverhältnisse
„Mehr Umsatz, mehr Gesundheit“
Teil 1: Interview – Unternehmer Martin Gaedt über die Vier-Tage-Woche
„Das kann man mit keiner Gerechtigkeitstheorie erklären“
Teil 2: Interview – Historiker Marc Buggeln über Steuerpolitik und finanzielle Ungleichheit in Deutschland
„Die Gesellschaft nimmt diese Ungleichheiten hin“
Teil 3: Interview – Soziologe Klaus Dörre über Armutsrisiken und Reichtumsverteilung
„Psychische Erkrankungen haben nichts mit Zusammenreißen zu tun“
Teil 1: Interview – Psychologe Jens Plag über Angststörungen
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 2: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
„Das Gefühl, dass wir den Krisen hinterherjagen“
Teil 3: Interview – Miriam Witz von Mein Grundeinkommen e.V. über Existenzängste und Umverteilung
„Sport wird instrumentalisiert, um positive Emotionen zu empfinden“
Teil 1: Interview – Sportpsychologin Jana Strahler über Sportsucht