Eine, die sich immer wieder in den politischen Diskurs einmischt, ist Elfriede Jelinek. Ihre letzte Einmischung „Wut“ ist vordergründig ein Stück über die Anschläge in Paris, aber auch Anlass für sie, in anderen, alltäglichen Wut-Ebenen nachzubohren. Einer, der es auch nicht lassen kann und sich mit seinen Tanzstücken immer wieder in diesen Diskurs einmischt, ist der Düsseldorfer Chor(e)ograf VA Wölfl. Immerhin belegt er damit, was Tanz politisch zu leisten imstande ist. Dass seine Inszenierungsweise – die neben dem durchgängig verharmlosenden Cha-Cha-Cha-Motiv auch Tanz und rhythmische Elemente enthält – eine permanente Herausforderung fürs Publikum darstellt, liebt die Avantgarde und hassen die Traditionalisten. Seine Stücke sind zwar vordergründig nicht darauf angelegt zu provozieren, doch sie tun es, denn ähnlich wie Jelinek schürft auch VA Wölfl tiefer am Thema.
Deshalb wirkt sein aktuelles Stück „von mit nach t: No 2“ wie eine Versuchsanordnung zur Erforschung des Spannungsfeldes von Religion und Gewalt. Ausgangspunkt für „von mit nach t:“ von 2014 war das Attentat auf Robert Kennedy. Mit Nr. 2 steht die Inszenierung von 2015 näher im Kontext der islamistischen Gewaltakte von Paris, Belgien und nun auch Deutschland. Schießeisen auf der Bühne und Videos feuernder Kampfjets spielen bei VA Wölfl immer schon eine große Rolle. Doch diesmal sind die Todbringer mit den Händen der TänzerInnen wie Teile ihrer selbst fest verwachsen. Genauso fest umklammern sie mit der anderen Hand die Bibel. Das ist, bei allem, was eine gute Stunde auf der Bühne abläuft, schon ein verstörendes Bild: die Akteure in allen Aktionen verwachsen mit Pistole und Bibel zu sehen. „von mit nach t: No 2“ ist eine außergewöhnliche Inszenierung voll brennender Aktualität und mit Cha Cha Cha boshaft verharmlost, die VA Wölfl und Neuer Tanz nun eine Einladung zum Berliner Tanzfestival „Tanz im August“ eingebracht hat. Im Februar ist das Stück zurück in Düsseldorf.
Wie künstlerische Sensibilität aktuelle Bezüge schaffen kann, zeigen gleich zwei zeitgleich stattfindende Theaterfestivals in NRW: die Ruhrtriennale und Favoriten 2016. Angesichts der eskalierenden Gewalt stellt Intendant Johan Simons in seiner zweiten Spielzeit die Ruhrtriennale (noch bis 24.9.) unter die zentralen Werte der Aufklärung: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. So wie sich die Gesellschaft zunehmend politisiert, politisiert sich nun auch die Ruhrtriennale – und das ist gut so. Besonders Alain Platel wird uns mit seinem Mahler-Projekt „Nicht schlafen“, wie schon die TänzerInnen bei den Proben „am Tod riechen lassen“. Trotz des großen Angebots der Ruhrtriennale wird auch das Festival der frei produzierenden darstellenden Künste Favoriten 2016 (23.9.-2.10.) sein Publikum finden. Tanz und Performance dominieren das Festival, das sich diesmal mit der Stadtgesellschaft und ihrer Inszenierung befasst: „Alles dreht sich um große Täuschungen und kleine Fälschungen, um die vielen Formen von Lügen, denen wir in unseren städtischen Gesellschaften ausgesetzt sind – oder uns selbst aussetzen.“
Programme: www.ruhrtriennale.de | www.favoriten2016.de
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