Die Waliser Musikerin Cate Le Bon lebt schon länger in L.A., doch ab und zu singt sie noch auf walisisch ihre Stücke. Was zunächst merkwürdig klingt, passt dann aber doch zu ihrer fragil-quirliegen, manchmal düsteren Musik, die mitunter an die Raincoats oder Mary Timony (Helium) erinnert. Einen Hang zum altertümlich-melancholischen Klang hat ihre Musik auch auf ihrem vierten Album „Crab Day“(Turnstile). Der Kölner Filmemacher und Musiker Antonio de Luca, auch bekannt von dem Duo Colorist, dockt in seiner Musik gleichermaßen an akademische Minimal Music wie an popkulturell hergeleitete Drones und Industrial an. Seine elektroakustische Synthese entfaltet eine existentielle Tiefe, mal beruhigend schön, mal beunruhigend nervös, und auch Pathos gibt es in wohldosierter Form (Hauch).
Die erste Compilation von DJ Kozes Label Pampa ist gleich eine Doppel-CD geworden. Darauf findet sich eine feine Auslese von Labelartists und anderen Freunden. Auf 19 Stücken hört man geschmeidigen Techno, zarten House und artverwandte Dinge, die man nicht genau zuordnen kann, von Lawrence, Dntel, Roman Flügel, Ada, Die Vögel, Mount Kimbie, Isolée oder Jamie XX. Der Hamburger Technoproduzent Stimming ist auch vertreten. Er hat gerade mit „Alpe Lusia“ ein eigenes Album veröffentlicht, auf dem er Minimaltechno mit melodiösen Ansätzen und auch mal Gesang zelebriert. Dafür hat er sich für die Produktion doch in einer italienischen Berghütte eingeschlossen. Doch nun geht er an die Öffentlichkeit – am 14.5. ist er im Gewölbe in Köln zu hören. Die Stücke haben trotz ihrer zarten Introvertiertheit auch Clubpotential (Diynamic).
In den frühen 80er Jahren war Alfred Hilsberg der Inbegriff für Undergound. 1980 gründete er das Label ZickZack, das mit einem rasanten Output die deutsche New Wave-Szene förderte. Bands wie Abwärts, Einstürzende Neubauten, F.S.K., Wirtschaftswunder, Palais Schaumburg, Die tödliche Doris und viele mehr haben dort unkompliziert, schnell und selbstbestimmt Platten veröffentlichen können. Der Nachteil des libertinären Prinzips: Die Verteilung der Gewinne war etwas nebulös. Nicht derjenige bekam das Geld, dessen Platten gut verkauften, sondern der, der eine Neue machen wollte. Jede vorherige Veröffentlichung finanzierte die folgende. „Das ZickZack-Prinzip“ wird in der gleichnamigen Biografie über Alfred Hilsberg von Autor Christof Meueler genau beschrieben. Es kommen auch zahlreiche Wegbegleiter zu Wort – lobend wie schimpfend. Meueler blickt auch auf Hilsbergs frühe Entwicklung in den 60er und 70er Jahren als Aktivist in diversen K-Gruppen, als Verwalter der Hamburger Film Cooperative um Werner Nekes und Hellmuth Costard und als Dokumentarist der frühen Anti-AKW-Bewegung, bevor ihn Ende 1976 der Punk-Virus infiziert. Nach dem Zusammenbruch der deutschen New Wave-Szene orientiert er sich Mitte der 80er Jahre neu und gründet das Label What's so funny about, wo er mit Cpt. Kirk &, Kolossale Jugend oder Blumfeld Wegbereiter der sogenannten Hamburger Schule veröffentlicht. Und auch heute noch agiert Hilsberg als Label und Musikverlag für Künstler wie Jens Friebe und anderen nach seinen ganz eigenen Prinzipien. Auf 350 Seiten schließt Meueler die Subkultur im Nachkriegsdeutschland mit Hilsbeergs Biografie kurz, erklärt Hintergründe und wird auch mal anekdotisch. Eine Straffung hier und mehr Tiefe dort hätte dem Buch gut getan, aber bei einem so spannenden Stoff liest man das auch so gerne (Heyne Hardcore).
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