Das Schönste sind die Marionetten. In der Werkschau der Kunsthalle Bielefeld zu Sophie Taeuber-Arp (1889-1943) sind sie wirkungsvoll in Szene gesetzt, als Nebeneinander der so fantasievollen wie lapidar stilisierten Figuren aus konstruktiven, in Farbe gefassten Formen. Auf unmittelbare Weise finden charakteristische Zuweisungen statt, in einer stillen, hochkonzentrierten Ernsthaftigkeit, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen berührt. Die Marionetten entstammen dem Stück „König Hirsch“; sie wurden von Sophie Taeuber-Arp für die Schweizerische Werkbundausstellung in Zürich 1918 entworfen, und sie zeigen noch, wie sie mit ihrem künstlerischen Vokabular auf Aufträge aus dem angewandten Bereich reagiert hat. Die Ausstellung in Bielefeld kreist um die Frage nach der Zusammengehörigkeit des Schaffens von Taeuber-Arp. Schließlich hatte Hans Arp nach dem Unfalltod seiner Gattin lediglich die „freie“ Kunst mit den Malereien, Zeichnungen und Plastiken in ihr Werkverzeichnis aufgenommen, nicht aber die kunstgewerblichen Beiträge: die Webarbeiten, Kostümentwürfe und den Schmuck.
Der Ausgangspunkt der Arbeit von Sophie Taeuber-Arp ist – nach frühen, immer wiederkehrenden Bezügen zur Figuration, aber kurzzeitig auch zur Dada-Bewegung – die Konkrete Kunst, die sich bei ihr aus Farbfeldern und geometrisch gezogenen Linien konstituiert. Taeuber-Arp rhythmisiert mit Flächen oder Bändern den Bildraum, ihre Kunst trägt bisweilen die Handschrift der Pariser Künstlergruppe „Abstraction-Création“, der sie zeitweilig angehörte. In ihrem Werk nun wechselt die Hinwendung zu Quadraten mit dem Interesse am Kreis; dann wieder entstehen Zeichnungen auf der Grundlage der bewegten Linie, die noch ihre Beschäftigung mit dem Ausdruckstanz (insbesondere in der Künstlerkolonie auf dem Monte Verità bei Ascona) verdeutlichen. Der Bewegung des Körpers bedenkt Sophie Taeuber-Arp wiederum bei ihrer Innenraumgestaltung für das Unterhaltungslokal Aubette in Straßburg 1926: Sie formuliert die Malerei im Realraum. Zugleich ermöglichte ihr dieser Auftrag, die Lehrtätigkeit an der Züricher Kunstgewerbeschule, die sie seit 1916 ausgeübt hatte, aufzugeben und fortan nur noch frei zu arbeiten. Die Kunsthalle Bielefeld vermittelt dieses Werk mit seinen so verschiedenen Ausrichtungen mittels der räumlichen Gliederung in Kapitel anschaulich, dabei in einer Sachlichkeit, in der das Spielerische der Bildlösungen leider manchmal verloren geht. Und doch, eine ganz wichtige Ausstellung zu einer Künstlerin, die nicht vergessen gehen sollte.
„Sophie Taeuber-Arp – Heute ist Morgen“ | bis 15.3. | Kunsthalle Bielefeld | 0521 32 999 500
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Das aktuelle Museum
Monica Bonvicini in der Kunsthalle Bielefeld – Kunst in NRW 11/20
Lust und Laster
„Der böse Expressionismus“ in Bielefeld – Kunst in NRW 02/18
Europäer in Amerika
Hans Hofmann in der Kunsthalle Bielefeld – Kunst in NRW 02/17
Planet Picasso
Ausstellungen in Köln, Bielefeld und Münster - Kunst in NRW 10/11
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23