Wie ein fettes blaues UFO sitzt die Rathausgalerie, das aktuelle Großbauprojekt in Leverkusen, ab Frühjahr 2010 auf gläsernen Landungsstempeln. Traurig ist die Geschichte von den Leverkusener Rathäusern und den lustvoll schwingenden Abrissbirnen. Die neue Entspannungs-Einkaufsmeile liegt zwischen der einzigartigen Beton-Ur-City und dem Kultur-Betonbau Forum, das zu seiner Bauzeit bereits für die damaligen Zuschauerquoten bei Rock-Events zu mickrig ausgelegt wurde. Für Randgruppenkultur wie den Jazz wirkt das Forum mit seinem ausladenden Terrassensaal eher einladend: Seit dreißig Jahren leben die Leverkusener Jazztage, sie feiern im späten Herbst ihren Geburtstag, wir pfeifen „autumn leaves“. Eigentlich wäre das Erreichen dieses hohen Alters nicht zu erwarten gewesen. Denn wer die Geschichte der Jazztage rekapituliert, presst nicht nur „‘s wonderful“ und „goody goody“ durch die Lippen: Hier öffnet sich ein Szenario über die Geschichte eines von der Heimatstadt ungeliebten Kindes, das sich aus dem Hort eines Jazzvereins zu einem der größten Festivals in Europa aufschwang. In den Hochzeiten dieses auch medial begleiteten Spektakels traf sich in der Chemie-Metropole, deren Existenz einzig durch Schmerzpillen in die Welt getragen wurde, die Weltprominenz der Giants der Jazzgeschichte, die damals noch recht rüstig tourten und die leider keine Kinder- bzw. Enkelgeneration hinterlassen haben – bis auf ganz wenige Ausnahmen. Bis auf ein vom damaligen Dezernenten pointiertes Tanzfestival drang über den Rhein nur der Ruf dieses Jazzfestivals – so etwas schmerzt natürlich die Profis von der Stadt und vom Werk, die beide saftiges Geld in jeweils eigene Kulturprogramme versenkten – im Spannungsfeld zwischen Dhünn und Wupper klingt „moanin‘“.
Das Chaos der frühen Jahre – wir trommeln „crazy rhythm“ – hat sich zu charmanter Heimeligkeit verklärt. Mancher trauert den Marathonveranstaltungen nach, als die Jazzer mittags in die Hörner stießen und weit nach Mitternacht nochmals die Bühne frisch eingedeckt wurde: „round midnight“. Das war eine tolle Zeit, und alle waren zu Recht mächtig stolz auf das Geleistete. Es regierten „body and soul“. Irgendwann verkrachte sich die Organisationsspitze, wobei weitere städtische Subvention bröckelte. Dann stand bei leeren Stadtkassen das Festival vor dem Aus. Ein Retter nahte. Er pfiff den „cool blues“. Mitte der Neunziger wurde aus dem Festival ein von einer GmbH geführtes Wirtschaftsunternehmen. Heute liegt der städtisch finanzierte Zuschuss zu den Jazztagen bei 4% des Festivals-Etats: „I can‘t give you anything but love“. Die Banddichte ist sinnvoll ausgedünnt. Alles läuft prima. Sentimental singt das Geburtstagskind: „I’ll never be the same“.
Das Festprogramm kann sich absolut hören lassen. Moderner Jazz von Knackbassist Marcus Miller oder dem neuen Kultbassisten Avishi Cohen wechselt zum Supervirtuosen Michel Camilo. Trompeter Nils Petter Molvær und Saxer Jan Garbarek (mit Trilok Gurtu) betören mit Klanglandschaften, mit Al di Meola und Lee Ritenour treten zwei Haudegen der Fusionzeit an. Einem groovigen Projekt der WDR Big Band mit Saxer Bill Evans antwortet Candy Dulfer mit Band. Und bei „Tower of Power“ wird abgezappelt, bei Christopher Cross können alle mitsingen.
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