Wenn Jazz unter Tage geht: In der Zeche Bochum hörte man am Sonntagabend weder quietschende E-Gitarren, noch roch man biergetränkte Lederjacken. Stattdessen präsentierten die Veranstalter ihre neue Jazz-Sparte und hatten gleich Deutschlands bekanntesten Stellvertreter für improvisierte Musik eingeladen: Till Brönner.
Das Angebot wurde begeistert angenommen, obwohl es für viele wohl ihr erstes Jazz-Konzert im Stehen gewesen sein dürfte. In der bis in den letzten Winkel besetzten Halle bot Till Brönner mit seiner Band eine solide Show, in deren Vordergrund das neue, nach ihm selbst benannte Album stand.
Und selten hat Brönner mit einem Album so viel Begeisterung bei Fans und Kritikern hervorgerufen wie mit seinem achten Langspieler, auf dem, wie beim Konzert in Bochum, gänzlich auf Gesang verzichtet wird. Seine Reise darauf in die 1970er des Jazz, nach dem ersten Abklang des Modern Jazz und vor der Fusion-Bewegung ansetzend, wird von tiefen Bässen und einem elektrischen Piano getragen, die vor allem eines produzieren sollen – einen Groove. Der Band um das ehemalige Jurymitglied der TV-Casting-Show „X-Factor“ gelang es, diesen aufs Publikum zu übertragen. Früh nickten Köpfe und das ein oder Bein wollte auch mehr als bloß stehen.
Das Programm war aber auch darauf ausgelegt. Es gab wenig Downer, die einzige Ballade „Lazy Afternoon“ gehört aber zu den Highlights an diesem Abend. Hier, in den weniger vom Beat getragenen Stücken, kommt der Reichtum der Nuancen zutage. Brönner beherrscht diese mit dem Flügelhorn und der gedämpften Trompete gleichermaßen. Er fügt sein Spiel stimmungsversiert in die Arrangements und setzt sich nicht mit seinem impulsiven Part darüber.
Beeindruckend an diesem Abend war auch der junge Saxophonist Marcus Lindgren. Zu Beginn merkte man ihm und Brönner noch an, dass dies eines der ersten Konzerte seit der Erscheinung des Albums ist. Aber nach einiger Zeit tauten beide im Call-Response-Spiel auf und schufen in einigen Liedern eine Jam-Atmosphäre in der zwar gefüllten, aber weitläufigen Halle, was nicht selbstverständlich ist.
Etwas mehr experimenteller Wagemut in den Stücken hätte das Ganze noch abgerundet. Aber so blieben die furiosen Drummer-Soli von Wolfgang Haffner – dessen Album „Heart of Matter“ Ende Oktober erschien – die Ausnahme in einem gelungenen, aber nicht denkwürdigen Konzert, das auch seine Promo-Zwecke für das neue Album erfüllen sollte. So sehr Profi ist Till Brönner schon lange. An diesem Abend steht er aber wieder als Musiker im medialen Rampenlicht, nicht als polarisierende Medienfigur. Glücklicherweise.
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