Zig Gratulanten stellten sich ein, um das Stadtgarten-Team zum runden Geburtstag zu beglückwünschen. „Das hätten wir uns vor 30 Jahren nicht vorgestellt“, so der Künstlerische Leiter Reiner Michalke, „damals sind wir mit Naivität und Unwissenheit herangegangen.“ Saxofonist und Jazz-Urgestein Gerd Dudek erinnert sich an die Anfänge: „Vorher gab es im Keller des Lokals das ‚Schmuckkästchen‘, in dem Jazz-Konzerte stattfanden. Der Stadtgarten hat dies weitergeführt, indem auf der Bühne oben experimenteller und unten traditioneller Jazz gespielt wurde.“ Pianist Martin Sasse ergänzt: „Dem Team ist großer Respekt zu zollen, dass sie dieses Jazz-Zentrum Kölns aufrecht erhalten und international bekannt gemacht haben.“
Reiner Michalke ist zufrieden mit der Bilanz: „Die Institution hat sich sehr gut entwickelt und wir freuen uns, dass wir nun mit der Förderung für ein ‚Europäischen Zentrum für Jazz und aktuelle Musik’ die Möglichkeit für langfristige internationale Projekte haben.“ Ebenfalls von Anfang an mit dabei war Komponist und Dirigent Norbert Stein, Protagonist zeitgenössischer Musik. 1984 spielte das 1. Kölner Weltorchester auf dem Restaurant-Parkplatz – wo heute der Konzertsaal steht. Norbert Stein erinnert sich: „Damals ist das Orchester von unten gewachsen, hat sich selbst zusammengestellt. Diesmal wurde mir die Künstlerische Leitung angetragen, ich habe es zusammengestellt.“
Das 2. Kölner Weltorchester mit 60 MusikerInnen eröffnete das Fest mit vier Uraufführungen von Ulla Oster, Simon Rummel und Norbert Stein, der den Ansatz so zusammenfasst: „Das Anliegen war, kurz ein breites Spektrum aktueller Musik zu präsentieren, verschiedene Komponisten und Ansätze vorzustellen.“ Das Publikum im vollen Gastgarten dankte der Großformation mit langem Applaus. Stein rückblickend: „Die Anfangsjahre waren idealistisch-utopistisch mit jugendlichem Elan. Dann kamen Jahre der Realität. Daraus ist eine Organisation mit Geschäftsführung, Hierarchie und Verantwortung geworden. Mit dem ‚Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik‘ bestehen mehr Möglichkeiten für kreative Musik. Wieder liegt Aufbruch in der Luft.“
Anschließend spielte im Studio 672 das Gerd Dudek - Denis Gäbel Quintett Jazz von John Coltrane. Dudek über den Stadtgarten: „Er war immer eine Begegnungsstätte, Treffpunkt von Jung und Alt sowie Schmelztiegel – europaweit einzigartig.“ Martin Sasse fügt hinzu: „Jazz hat keine Riesenlobby, in TV und Radio wird er heute zunehmend weniger gespielt. Umso wichtiger ist eine Institution wie der Stadtgarten.“ Im Studio 672 ist die Luft heiß, aber die Freude der Zuhörer ungebrochen. Gefragt nach den Highlights antwortet Michalke: „Es waren ganz leise Momente, etwa das Solokonzert von Arve Henriksen, eine Improvisation von Dave Holland und Jack DeJohnette vor ihrem Auftritt oder der erste Schlag von Jaki Liebezeit auf seine Trommel.“ Angesichts einer derart positiven Bilanz kann man nur wünschen: Auf die nächsten 30 Jahre!
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