Es hapert an vielen Dingen in der Domstadt. Insbesondere wackeln gerade die kulturellen Einrichtungen – der alte Hut drückt selbst einen coolen Profi wie den aktuellen Kulturdezernenten, der wohl gern seinen Posten quitt würde. Ein sehr markantes wie verwunderliches Detail, das im Desaster eines Allgemeinbefunds der aktuellen Lage tatsächlich gar keine Rolle spielt und keinerlei Brisanz aufweist, sondern nur ein trockenes, weil resigniertes Lächeln hervorzaubert, berührt die Frage: Warum hat Köln, häufig als deutsche Jazzstadt Nr. 1 apostrophiert, eigentlich kein repräsentatives Jazzfestival? Was haben Viersen oder Leverkusen, zwei Zwerge im Dunstkreis, was Köln nicht hat? Vielleicht stört die Musikhochschule mit dem ältesten Jazzzug Deutschlands, die in Eigeninitiative immerhin eine Jazznight der Studierenden und Dozenten herausbringt, die sich immer mehr auswächst. Vielleicht irritiert auch das Vorzeigeprojekt Stadtgarten, das mit europäisch wirkendem Vorbildcharakter unter idealen Voraussetzungen eine Jazzinitiative ins Rollen brachte, der nach mehreren Jahrzehnten – und schon seit einigen Jahren – irgendwie die Luft ausgegangen ist. Vielleicht behindert das Vorhandensein solcher „biblischer“ Institutionen den Wunsch nach dem großem Event, das mit kleinen Konzertansammlungen der Sendeanstalten oder dem promi-geilen Jazzzirkus eines Autokonzerns Festivalstimmung vorgaukelt: Jazz ist doch eigentlich genug da.
Da sind die Musiker in Köln ganz anderer Meinung. Zum 5. Mal bündelt die Freie Szene der Musikstadt ihre Kraft für die Nacht der Nächte. In der Kölner Musiknacht 2009 finden an 25 verschiedenen Spielstätten insgesamt 100 Konzerte statt. Die ausgegebene Devise lautet „Wir spielen mit“, und dieser Schrei entringt sich der Brust aller Musikschaffender einer Szene, die ja auch über eine Vielzahl ambitionierter Laienensembles verfügt. Alle Stile bekommen ein Forum, der Fokus liegt allerdings in diesem Jahr eindeutig auf dem Jazz und der Improvisierten Musik – vielleicht weil Köln als Nr. 1 über das Potential verfügt?
Mit großem Engagement akzeptieren die Künstler kleine Gagen, der olympische Gedanke regiert die Kultur mehr denn je. Jazz ist nicht nur keine gute Fickmusik, wie es u.a. Helge Schneider verbreitet, sondern es lässt sich mit guter Musik auch unwahrscheinlich prima keine Kasse machen. Musiknächte überfluten mittlerweile landesweit die Großstädte, aber sie sind von Agenturen gepusht oder von Gastronomen erfunden. Dass die Künstler selbst, hier vertreten durch den „Initiativkreis Freie Musik“, eine solche Klangpracht mit städtischer Assistenz inszenieren können, ist angeblich einzigartig – und die Kölner Künstler sind stolz darauf.
Die offenohrigen Kunstfreunde und Liebhaber schräger Events kommen bei dieser Aktion voll auf ihre Kosten. Wer einmal das Ticket (15 €), das auch gleichzeitig die Reisekosten in den Öffentlichen deckt, in seinen Händen hielt, weiß, dass dieser Spaziergang ein ganz besonderes Vergnügen bereiten kann. Die Tour muss vorher gut geplant sein, dann wird Musikgeschichte begehbar und erlebbar – an diesem Abend liegt die Stadt im Festivalfieber.
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