Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
11 12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 23 24

12.606 Beiträge zu
3.829 Filmen im Forum

Ronja von Rönne
Foto: Mehran Djojan

Roadtrip ins Ende

02. Mai 2022

„Ende in Sicht“ von Ronja von Rönne – Klartext 05/22

Juli ist 15 und möchte sterben. Die Jugendliche steht auf einer Grünbrücke, einer bewachsenen Autobahnbrücke für Wildtiere. Eigentlich ist diese Brücke zum sicheren Überqueren der Fahrbahn für Rehe und Wildschweine gedacht. Juli möchte sich hier in den Tod stürzen. Und sie springt – direkt vor die Motorhaube von Hellas Passat. Hella ist Seniorin, ehemalige Schlagersängerin und auf dem Weg in die Schweiz, genauer gesagt in ein Sterbehospiz in Zürich. Damit beginnt Ronja von Rönnes Roman „Ende in Sicht“ (dtv) und zugleich der Roadtrip des ungleichen Paares, das wenig verbindet – außer dem Wunsch zu sterben. Beide stehen an ganz unterschiedlichen Lebensabschnitten: Wieso wollen die Figuren ihrem Leben aktiv ein Ende setzen?

„Warum weitermachen wollen in einer Welt, in der es eigentlich niemand interessierte, ob man weitermachte“, denkt Juli an einem Punkt des Trips. Beide Figuren sind eher Alleingängerinnen und vor allem frustriert vom Leben. Hella hat auch die letzte Aktivität verloren, die ihr Freude bereitet hat: Nach einem vergeigten Auftritt will sie nicht mehr performen. Der Ex-Popstar mit lila Haaren hat keine Tagesstruktur, nichts worauf sie sich freut und fälscht letztendlich ärztliche Atteste, um Freitodhilfe gestattet zu bekommen. Das Leben kann Hella nichts mehr bieten – das denkt auch die viel jüngere Juli. Auch wenn es nie konkret benannt wird, verkörpern die beiden die Auswirkungen von schweren Depressionen: Geliebte Aktivitäten machen keine Freude mehr, nichts treibt sie noch an und die Zukunft scheint aussichtslos. Ronja von Rönne geht mit ihrer eigenen Erkrankung sehr ehrlich um, auch um das Thema zu entstigmatisieren. Denn jedes Jahr erkranken rund 5 Millionen Menschen in Deutschland an Depressionen. Diese können einige Wochen oder sogar Jahre dauern. Von Rönne schreibt in ihrer Danksagung, das Buch sei „nicht wegen, sondern trotz dieser Scheißkrankheit entstanden“ und sagt auch, dass niemand Depressionen aushalten müsse, dass es Hilfe gebe.

Die Charaktere ihres Buches finden schließlich ineinander Hilfe – auch wenn sie sich anfangs nicht mal mögen. Trotz schwerer Thematik findet von Rönne kuriose Momente mit exzentrischen Figuren, die mehr Facetten zeigen als nur ihre Krankheit.

Ronja von Rönne: Ende in Sicht | dtv | 256 S. | 22 €

Katja Egler

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Neue Kinofilme

Das Kanu des Manitu

Lesen Sie dazu auch:

Kurz und knackig
Short Story Night im Rheinauhafen

Rettung vor der Deportation
Elle van Rijn liest in Leverkusen

Widerspenstige Waldgeister
Unruly places am Orangerie Theater

Eine wahre Fluchtgeschichte
„Wie ein Foto unser Leben rettete“ von Maya C. Klinger & Isabel Kreitz – Vorlesung 07/25

Die Kraft der Erinnerung
„Das Geschenk des Elefanten“ von Tanja Wenz – Vorlesung 07/25

Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25

Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25

Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25

Ein Hund als Erzähler
„Zorro – Anas allerbester Freund“ von Els Pelgrom und Sanne te Loo – Vorlesung 06/25

Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25

Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25

Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25

Literatur.