So, heute mal „klare Kante“ (Peer Steinbrück, Ex-Kanzlerkandidat). „Mit Schmackes! Punk im Ruhrgebiet“ ist mit Abstand eines der hässlichsten Bücher, die in den letzten Jahren eine Druckerei verlassen durften. Das Papier ist mit glitschigem Hochglanz überzogen, die Schrift unlesbar groß, und durch das ganze Buch ziehen sich violett unterlegte Absatzüberschriften, die an ein Schulbuch aus den mittleren 1990ern erinnern. Nee, Leute, das geht so nicht. Schließlich reden wir immer noch über Punk, die Musik, die Cover wie die surrealistische Collage von Crass „The Feeding of the 5000“ hervorgebracht hat. Andererseits ist das Ganze vielleicht dann doch gewollt. Denn der Musealisierung von Punk in Vorträgen, Designmuseen und BBC-Reportagen gelingt es ja nie, diesen Schock des Hässlichen zu reproduzieren, der Punk 1977 (vor immerhin 36 Jahren!) mal ausgezeichnet haben soll. „Mit Schmackes“ kriegt das ganz gut hin.
Und auch wenn man visuell nicht wirklich punkten kann, setzt man zumindest beim Inhalt auf so viel Vollständigkeit wie möglich. Fanzine-Macher kommen ebenso zu Wort wie Konzertveranstalter. Musiker selbstverständlich auch, zumindest solange sie nicht Frauen oder Migranten oder beides sind. Dafür gibt's reichlich Fotos von Männern kurz vor und kurz nach dem mittleren Alter in gleichaltrigen Konzertvenues und vor noch älteren Industriebauten. Punk scheint irgendwie reine Jungssache geworden zu sein. Gut dass Ari Up, die Sängerin der Slits, das nicht mehr miterleben muss.
Trotzdem liest man sich dann doch recht interessiert durch „Mit Schmackes“. Man erinnert sich an selbst aufgenommene Kassetten mit Upright Citizens-Alben und freut sich darüber, dass die beiden Ox-Macher mittlerweile auch noch ein veganes Magazin machen und es immer noch für Miete und neue Platten reicht. Man ärgert sich, dass das Telemark-Interview nicht länger ausgefallen ist, und nimmt gerne mit dem Literaturprofessor Thomas Hecken im Heck eines mit Punkrockern vollbesetzten Wagens Platz. Mit denen war der damalige Jungakademiker nach Bonn gefahren, um Die Kassierer aus Wattenscheid vor der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu verteidigen. Diese hatte die Band wegen ihrer CD „Habe Brille“ vorgeladen, die angeblich Jugendliche „ethisch desorientieren“ würde. Die Kassierer gewannen das Verfahren selbstverständlich, die Jugendlichen, die sich von einer Wattenscheider Punkband desorientieren lassen, müssen schließlich erst noch geboren werden. Dabei wäre ein wenig Desorientierung eigentlich ein ganz angenehmer Effekt nach über 250 Seiten „Mit Schmackes“. Denn nach mehrfacher Wiederholung der alten Klischees über das ehrliche Ruhrgebiet wie „Smogalarm und Steinstaublunge / Ewig Flüche auf der Zunge / Fußballkrieg am Wochenende / Unser Ruhrpott die Legende“ (Pöbel und Gesocks) oder Tom Tonks routinemäßigem Abkotzen über Akademiker fragt man sich schon ein wenig, wo eigentlich genau der Unterschied zum offiziösen Wir-Gefühl des „Woanders ist auch scheiße“-Ruhrpott ist. Vielleicht sollte man sich aber auch nichts vormachen. Woanders ist Punkrock vermutlich auch nicht groß anders.
Dennis Rebmann und Philip Stratmann: „Mit Schmackes. Punk im Ruhrgebiet“ Henselowsky Boschmann, 274 Seiten, 18,90 Euro
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