Als Riccardo Muti vor nunmehr 45 Jahren sein erstes Verdi-Requiem dirigieren durfte, stand er am Pult in der Kirche San Lorenzo im sagenhaften Florenz. Dieses klangvolle Werk wirkt verstörend monumental und ist den Italienern mindestens so heilig wie die fantastische Architektur in dieser berühmten Stadt. Optimal fällt ein Zusammenwirken von Bauwerk und Musik aus. Denn auch im Requiem kann sich der Dirigent etwas einfallen lassen, wo zum Beispiel das kurze Feuerwerk der trompeteten Signalketten abgefeuert werden soll – solchen Spielarten bieten nicht nur italienische Sakralbauten, sondern auch moderne Philharmonien günstige Gelegenheit. Gerade die Kölner eignet sich mit ihren vielen Balkonen für Raumexperimente, die oft eindrucksvoll im Gedächtnis bleiben. Beim Requiem mit Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und einem erlesenen Solistenquartett bleibt trotzdem klar, wer „der Renner“ in dieser Aufführung ist: Maestro Riccardo Muti.
Muti wirkt irgendwie oft schlecht gelaunt. Gefragt nach seinem Jetsetter-Leben als einer der bedeutendsten Dirigenten der Welt sagt er Sätze wie: „Das Podium ist kein Ort der Macht, sondern eine Insel der Einsamkeit.“ Dafür sorgen die Künstlerpersönlichkeiten manchmal selbst. Seine Dispute an der Scala in Mailand und an der römischen Oper wurden kompromisslos gefochten. Zum runden Geburtstag immerhin von Prince Charles sagte er sein Stelldichein im Buckingham-Palace kurzerhand ab, nachdem zwei Programmkürzungen erbeten wurden: Er sei kein Entertainer, soll er gesagt haben.
Es kann pessimistisch wirken, wenn Muti meint, das Ende von Verdis „Falstaff“ sei in unseren Tagen geradezu prophetisch. Da singt der wohlbeleibte raufsüchtige Edelmann Sir John Falstaff, der auch dem Alkohol frönt: „Alles um uns herum ist Narretei!“ Aber Muti, der in Ravenna lebt, blickt schon in die Zukunft. Jetzt hat er hier eine Akademie für junge Dirigenten, Korrepetitoren und Sänger gegründet, um seinen Kanon unabdingbarer Kriterien zur angemessenen Erarbeitung eines Musiktheaterstückes weiterzugeben. Er selbst kam über einen Schüler Toscaninis zu seinem Wissen über das italienische Melodrama. Karajan verdankt er seine ästhetischen Ideen über den Grundklang eines Orchesters. „Die Wurzel der Regie liegt in der Musik, der Dirigent ist für alles mitverantwortlich, was auf der Bühne passiert“, meint Muti. Er will den jungen Menschen zeigen, wie die Beziehung zwischen Wort und Musik zu entdecken ist – das wäre auch das klingende Hauptthema an diesem Konzerttermin in Köln: in einer Oper ohne Regisseur.
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zählt der Dirigent neben den Berlinern und den Wienern zu den Wächtern eines solchen Individualklanges, mit diesen Musikern hat er auch schon Verdis „Requiem“ realisiert, damals mit Jessye Norman, Agnes Baltsa, José Carreras und Evgeny Nesterenko. Auch Pavarotti, für Muti die Jahrhundertstimme, hat mit ihm das „Ingemisco“ geschmettert, den Tenorhit aus diesem Großwerk. Für Köln hat er ein adäquates Sahne-Quartett der führenden Stimmen eingeladen – das Requiem verspricht himmlische Sphären.
Giuseppe Verdi: Messa da Requiem | Sa 4.11. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
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