Schön, dass die Welt Platz hat für ganz schrille Typen. Erika Stucky,  Performance- Künstlerin mit Schwerpunkt Musik, fühlt sich zwischen den  wilden Bergen im Wallis wohl – eine Heidi des 21. Jahrhunderts. Mit  Mensch und Tier lebt sie hier in Harmonie – zumindest lässt sie sich mit  Ziegen an ihrer Seite abbilden. Zum diesjährigen Triennale-Thema  „Heimat – heimatlos“ reiste die singende Akkordeonistin mit einem Team  handverlesener Künstler an den Rhein. „Das sind alles Leute, die ich  seit Jahren kenne und die ich zusammengewürfelt habe für dieses  Projekt“, erzählte die originelle Performerin. „Ich kenne so viele  knorzige, komische, quirlige Schauspieler und Musiker – das hat  vielleicht mit der Landschaft zu tun, mit Berg und Tal und der Kälte in  Eis und Schnee – es ist ein guter Boden für Gewagtes, für  Grenzwertiges.“
Aufgewachsen ist Erika im sonnigen L.A., mitten  drin in der Flowerpower- Zeit. Sie versteht sich als Weltbürgerin: „Mein  Großvater hat dieses Hin und Her 1904 begonnen, seitdem reist meine  Familie (alle mit US- und CH-Pass) alle 15 Jahre hin und zrugg: Wallis –  Kalifornien. Das hat alles Platz in meinem Leben: Schwyzer-Jutz und  American Slang. Und der Musik hat‘s nicht geschadet.“
Die Gäste  in der Kölner Philharmonie wollten die nette Lady im punkigen Dirndl gar  nicht mehr gehen lassen. Und das, obwohl Erika so ganz gegen den  üblichen Strich der Unterhaltungsbranche bügelt. Ihr Rezept: „Ich habe  mich in den letzten Jahrzehnten darauf spezialisiert wegzulassen, noch  nackter, noch roher aufzutreten. Meistens bin ich unterwegs mit einer  Tuba und einer Posaune. Ich hab es gern abgespeckt.“ Selbst wenn sie wie  jetzt in Köln ein Großaufgebot mitbringen darf, genießt sie den Luxus,  dass die Musiker auch mal herumhocken und zuhören. Erika: „Es ist viel  schwerer für die Musiker, kurz und kräftig, rar und spatzig zu spielen,  als überall musikalische Sauce drüber zu machen.“ Bei Erika läuft die  Sauce allerdings weiter als in den Schminkkoffer von Soundexperten. Ein  Stock und eine Schaufel reichen der erfindungsreichen Entertainerin für  die Ouvertüre, natürlich eine Schneeschaufel. Und die schiebt sie  kratzig über das Parkett, schlägt den Stock auf den Stiel und schreit  Huhuhähä, und langsam entsteht etwas wie Jodeln. Irgendwann in der Show  assistiert ihr Damenstreichtrio zum lustigen Schaufelquartett, und die  Mannschaft wurde trainiert. Erika: „Das Schaufelklopfen muss zusätzlich  gären, damit das urig und knallig und erst noch synchron rüberkommt.“  Besonders kernig kam in ihrer Show der Groove über ihre Fans, ein  Drummer und eine Tuba pumpten das Fundament unter die eingängigen Songs  von Erika, vorgetragen mit sonorem Alto, meist in akzentfreiem  Amerikanisch. Darauf war schon ihr Vater stolz, der seine Tochter gern  in „Swiss Clubs“ als Interpretin von Dean Martin-Hits präsentierte. Die  Berge haben die Künstlerin Stucky zur Besinnung gebracht: Reduktion auf  das Wesentliche, Virtuosität am Schneeschieber, rhythmisch  strukturierter Blödsinn, und immer raus mit der Botschaft: „Der folgende  Titel befindet sich irgendwo zwischen Pekingoper und Eminem.“
www.erikastucky.ch
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