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Spatzen fallen nicht um
Foto: Presse

Nicht nur für Spatzenhirne

29. November 2012

Ein Wort zum Fest der Liebe – Improvisierte Musik in NRW 12/12

In Castelrotto ist der Teufel los. Das Tal im Schatten der Dolomiten wurde heimgesucht. Der Täter: ein „Spatzenjudas“. Die Opfer: die „Kastelruther Spatzen“. Wer nicht auf dem Land lebt und von den Großeltern frühzeitig in der Küche vor dem Fernseher mit der einzig authentischen heilen Welt der Volksmusik in Kontakt gezwungen wurde, der wird Schlüsselbegriffe wie Randfichten oder Herzbuben eher in die Natur oder ins Kartenspiel sortieren. Als Wirtschaftskraft sind diese Gutverdiener unter den auch schon knapp werdenden B-Promis – die trotz unglaublicher Beliebtheit und prächtiger Absatzzahlen nur sehr selten den Sprung in die alles überflutenden Talkshows schaffen – von großer Bedeutung. Gerade die Kastelruther Spatzen, Topverdiener der seichten Musikbranche, haben die merkantilen Qualitäten ihrer Unternehmung optimiert. Da wirken Vorwürfe eines Nestbeschmutzers im Vorweihnachtsgeschäft sehr unschön.

Und das hört der Knuddel-„Spatzenbär“ (199,-€) für die Enkelchen gar nicht gern.

Es ist der alte Hut, der immer mal wieder gern aufgesetzt wird, dass nämlich diese berühmten Musiker gar nicht selbst ihre CDs bespielen. Das ist eine tausend Mal formulierte Binsenweisheit, die von den Fans nach kürzester Zeit einfach wieder ausgeblendet wird. Dazu sind Menschen und der Fan im Besonderen von Natur aus fähig – man denkt ja auch nicht ständig an den eigenen Tod. Aber so sicher wie der Tod ist die Wahrheit, dass es kaum volkstümliche Künstler gibt, die ihre Titel überhaupt einspielen könnten – in der üblichen Qualität. Es wäre in jedem Fall zeitraubend und deshalb teuer – da lässt man lieber Fachleute ran. Im Rheinland ist der Einsatz von Studiomusikern natürlich auch im Karnevalsgeschäft üblich. Erst in den letzten Jahren wurden in die besseren Gruppen erstmals nicht nur Freunde, Schwäger oder Brüder engagiert, sondern Musiker. Aber solange noch Trompetenstars in Köln ihre Solo-CDs einblasen lassen, wird dieses lukrative Zubrot für Jazzmusiker weiter existieren. Sind die ethischen Hemmschwellen für den kleinen Studio-„Betrug“ vom Management platt geredet, reizt es natürlich, den in fast allen TV-Formaten gängigen Live-Auftritt im Vollplayback-Verfahren auch für die Gigs Auge in Auge mit dem Fan einzuführen. Die Kastelruther beschicken ihre selbstverwalteten Festzelte in der Konzertzeit mit tausenden von Fans mehrfach am Tag. Da artet das Fest für die Freunde leicht in Arbeit aus. Und das Ergebnis von der CD ist eh qualitativ nicht zu toppen.

So soll es sein, dürften wir jetzt resümieren. Da gehen wir nämlich sowieso nicht hin. Da hören wir weg. Aber wahrlich, ich sage euch, auch jüngere Leute werden mittlerweile in Hallen, die z.B. „Live Music Hall“ heißen, mit vorgefertigten Einspielern besch(i)ossen. Und das Schlimme kommt erst noch: Sie merken es nicht. Oder es ist ihnen egal. Wenn Goran Bregovic mit seiner Wedding-Band, einer angesagten Party-Mucke aus dem weiteren Umfeld der internationalen Folklore, zu prasselndem Schlagzeugdonner seine zweitklassigen Bläser live brillieren lässt, aber im Saal gar kein Schlagzeug existiert, so fällt das nicht mehr auf. Bild und Ton als Gesamteindruck im Livekonzert haben sich getrennt. Live-Musik braucht keine Musiker, zumindest nicht alle, die man hört. Rolling Stones vom Band? Gibt’s doch gar nicht! Trotzdem aufpassen, bitte!

Olaf Weiden

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