Ausprobieren macht Freu(n)de. So schlicht lässt sich das Ergebnis eines zweijährigen Praxistests abbilden, in dem Wissenschaftler der Ruhr-Uni Bochum mit einem Sharing-Fuhrpark von 24 unterschiedlichen Elektroautos untersuchten, wie diese mit Anforderungen von Pendler/innen „matchen“. Allerdings: Für nicht wenige hört beim Geld die Freundschaft auch wieder auf.
Unter uns: Ich hätte auch mitgetestet. Jeweils für sieben Tage ein lupenreines Elektromobil und anschließend eines mit Benzin-Reichweitenverlängerung. Aber wer im „Home-Office“ arbeitet, gehörte halt nicht zur Zielgruppe. Nebenbei tat sich ein Zweit-Problem auf: Als Teil einer „Patchwork-Familie“ möchte man regelmäßig Liebste und Töchtervolk am Rhein mit Anwesenheit erfreuen. Doch wo dort nachladen? Das – reichlich parkplatzarme – Wohngebiet verbietet, die Kabeltrommel aus der vierten Etage auf den Gehsteig zu fieren, falls doch eine Lücke vorm Haus gefunden würde. Die nächste Ladesäule ist weit entfernt, womöglich mit dem Bus erreichbar. Und bei der Benzin-Tanke vis-a-vis sorgte die Frage nach einem Ausnahme-Stromanschluss über Nacht für ambitioniertes Kopfschütteln: „Nääää – sowat mach’mer hier nit …“
Da müssen die mehr als 400 Hinz-und-Kunz-Probanden, die sich von skeptischen Prognosen unbeeindruckt an dem Projekt „Langstrecken-Elektromobilität“ der Ruhr-Uni beteiligten, zu erfreulicheren Eindrücken gelangt sein. „Vorher waren die meisten noch vorsichtig in ihrer Einschätzung der Elektroautos“, verkündete jetzt Projektleiter Prof. Constantinos Sourkounis, „nachher waren sie regelrecht euphorisch. Dreißig Prozent haben angegeben, sie würden ihr jetziges Auto beim nächsten Wechsel durch ein Elektroauto ersetzen – allerdings unter einigen Bedingungen.“
Elektrisch angetriebene Fahrzeuge gelten oft noch als Zweitmobil für die Familie und kurze Distanzen. Die Praxisstudie der RUB-Wissenschaftler zielte bewusst in eine andere Richtung. „Wenn Reduzierung der Luftbelastung die Antwort auf die Frage ist, warum wir elektrisch fahren wollen, müssen wir dort ansetzen, wo die großen Strecken entstehen. Also bei Pendlern, die längere Wege zum Arbeitsplatz haben“, definierte das Team an der Elektrotechnik-Fakultät. Fahrstrecke: zwischen 40 und 120 Kilometern. Und abends wieder zurück. Wenn solche Fahrer auf Öko-Stromantrieb umstiegen, würde schon eine Menge CO2 eingespart.
Im Spiel sind eine Reihe von Faktoren: Beschleunigung, Komfort, Lärmminderung oder Handling. Aber letzten Endes kommt es auf die Reichweite an. Die RUB-Forscher richteten daher ihr Augenmerk auf drei unterschiedliche Bereiche. Sind schnelllade-fähige Mobile, deren Akku in 20 bis 30 Minuten auf 80 Prozent Kapazität gefüllt werden kann, ein attraktives Angebot? Oder favorisieren Interessenten einen „Range Extender“ wie Opels Ampera, der nach 40 bis 80 elektrischen Kilometern auf den Benzintank umschaltet? Welches Potenzial steckt in Effizienzgewinnen, etwa durch Rückfluss von Bremsenergie oder der Einschränkung von Klimaanlagen? Und „ticken“ Männer und Frauen auch als Elektromobilisten unterschiedlich?
Die Beantwortung stützt sich im Wortsinn auf die „Erfahrung“ von 785.000 Kilometern – wobei die neun Amperas mit durchschnittlich 45.000 Kilometern weit stärker genutzt wurden als die 15 reinen Batterieautos. Will heißen: Wo die Reichweite keine Sorgen macht, wird das Angebot auch üppig genutzt. Muss man mit der Restladung sparsam umgehen, unterbleibt die eine oder andere unnötige Fahrt. Unterschiedlich gestaltet sich auf der Langstrecke auch der Zeitaufwand, wie gemeinsame Hamburg-Fahrten zeigten. Während das Ampera-Team trotz Staus nach vier Stunden am Alten Fischmarkt einparkte, brauchte man mit dem iMieV fast doppelt so lang. Denn was zählt die Schnelllade-Fähigkeit, wenn unterwegs die Ladesäule spinnt? Schon der eine missglückte Boxenstopp schlug mit zusätzlichen 90 Minuten zu Buche.
Hier zeigte sich Prof. Sourkounis auch am meisten überrascht: „Die Entwicklung bei den Ladenetzen ist stehengeblieben“, skizziert er ein wesentliches Hindernis. Zwar sei die Rhein-Ruhr-Region besser ausgerüstet als das Umland, trotzdem reiche die Struktur bei weitem nicht aus. Es regiert das alte Henne-Ei-Prinzip: So lange nicht deutlich mehr Elektrofahrzeuge unterwegs sind, haben Ladesäulen-Betreiber wenig Lust, weiter zu investieren. Allein RWE, das mit Partnern europaweit rund 3.000 Ladepunkte betreibt, dürfte bisher reichlich Geld versenkt haben. Wenn umgekehrt nur daheim mit Haushaltsstrom Energie gezogen werden kann, geht die Bereitschaft zum Kauf eines E-Mobils in den Keller.
Wann „lohnt“ sich der Kauf? Das RUB-Team hat für batterieelektrische Autos einen Schwellwert von 11- bis 12.000 Euro Mehrkosten ermittelt, der sich durch günstigen Unterhalt über die Lebensdauer ausgleicht. Gegenwärtig liegen Elektro- und vergleichbare Benzinmodelle aber noch 17- bis 18.000 Euro auseinander. Das erhebende Gefühl, manch „dicke Karre“ an der Ampel fies abgehängt zu haben, rechnet sich nicht in Cent und Euro. Ein Viertel der Testpersonen wartet auf günstigere Angebote. Es bedeutet: Ein attraktives Kaufanreiz-Programm könnte Wunder wirken.
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