Frühlingsgefühle. Keine Schmetterlinge im Bauch, aber immerhin Besuch aus Portugal. Maria Joao, deren Accent circonflexe auf dem kleinen a im Nachnamen ein berauschtes AAhhhoo evoziert, hat wieder einmal ihr Schaffensgebiet erweitert. Die Spezialistin für Solo- bzw. Duo-Einheiten mit nie endender Improvisationsfreude kommuniziert jetzt mit einem ganzen Sinfonieorchester – ohne dabei ihre spontanen Stimmausbrüche zurückhalten zu müssen.
Mit der japanischen Pianistin Aki Takase, die mit den Handkanten die Tastatur mancher Flügel attackierte und ein ganzes Orchester aus einfachen Klavieren schlug, eroberte Joao vor zwei Jahrzehnten das Gebiet der freien Improvisation. Die beiden Ladies definierten damals den Begriff „Frauenpower“ neu, erhoben kreative Gewaltakte zu klingenden Kunstwerken. Bis unserer singenden Portugiesin die Freiheit zu frei wurde und sie sich nach Heimat sehnte, natürlich der Heimat einer Weltmusikerin. Mit landsmännischen Jazzern stürzte sie sich auf die Musik Brasiliens, verquirlte Südamerikanisches mit Portugals Jazzmusik, Musik und Tanz rückten wieder näher zusammen.
Die Bewegung in rhythmischer Harmonie mit dem Gesang ist eine Konstante in Joaos Kunst. Die einstige Schwimmlehrerin weiß um die magische Ausdruckskraft ihres einst zierlichen Körpers, und so nannte sie die erste CD an der Seite ihres Klavier spielenden Partners Mário Laghina „Dancas“. Bis heute bildet dieses Duo die Kerntruppe aller Unternehmungen, zwei Menschen haben ihren Gleichklang in der Musik gefunden. Und einen unglaublichen Anklang in ihrer Heimat. Denn Joao wurde sowohl mit Projekten zur Expo in Lissabon betraut als auch mit einer Musik zur 500-Jahrfeier der Entdeckung Brasiliens. Die Perfektionistin sang damals auf Brasilianisch, einem von ihrer Muttersprache heute weit entfernten Portugiesisch. Gesangspartner Gilberto Gil, Legende aus Südamerika, wusste dies ebenfalls zu schätzen.
2007 kam es nach einem Ausflug in die Pop-Musik in Lissabon zu einer Zusammenarbeit mit dem Orquestra Nacional do Porto. Einige Titel wurden mit ihrem Gesangspartner David Linx mit vollem Orchestersatz musiziert, natürlich nicht ohne die perkussiven und vokalartistischen Solo- und Duoeinlagen der Protagonisten. Es spricht für die Aufgeschlossenheit der Novitäten stets aufgeschlossenen Bochumer Symphoniker und ihres neugierigen Chefdirigenten Steven Sloane, jetzt mit dieser wunderbar charismatischen und ungeheuer temperamentvollen kleinen Dame ein sogenanntes Sonderkonzert im Maßstab XXL im Audimax in Bochum zu inszenieren. Wenn sich der starre Körper eines Sinfonieorchesters im Bossa Nova-Fieber schüttelt und spontane Reaktion der Solistin einen hellwachen Dirigenten abruft, dann sind alle Antennen auf Event- und Erlebniskultur ausgerichtet. Und der Frühling kann kommen.
www.mariajoao.org
www.bochumer-symphoniker.de
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