„Der Abschluss war ein historischer Etappensieg“, sagt Lisa Jopt, die Chefin der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger (GDBA). Was pathetisch klingt, hat durchaus seine Berechtigung. In harten Verhandlungen hat die Gewerkschaft dem Deutschen Bühnenverein, also den Theatern und ihren Trägern, einen Tarifvertrag abgetrotzt, der seinesgleichen sucht. Das Einstiegsgehalt von Solo-Künstlern am Theater steigt um sagenhafte 35 Prozent, konkret: von 2000 auf 2715 Euro. Ab dem dritten Jahr dann sogar auf 2915 Euro. Doch das soll noch nicht das Ende des Stufenmodells sein: „Wir denken aktuell an zwei weitere Stufen“, sagt Jopt klassenkämpferisch.
Es weht ein neuer Wind durch die Theater. An den Bühnen ist eine junge Generation angetreten, die jeder Form von Ausbeutung, Machtmissbrauch, aber auch familienfeindlichen Arbeitszeiten den Kampf angesagt hat. Deutliches Zeichen sind nicht nur die Debatten um toxische Arbeitsverhältnisse und neue vertraglich fixierte Verhaltenscodices. An den Theatern in Regensburg, Göttingen und Leipzig kam es zuletzt zu massiven Protesten gegen die Kündigung von Mitarbeiter:innen. Der Standard-Arbeitsvertrag, der sogenannte Normalvertrag-Bühne, hat in der Regel eine Laufzeit von zwei Jahren, verlängert sich dann automatisch und kann alljährlich „aus künstlerischen Gründen“ von beiden Vertragsparteien gekündigt werden. Vor allem für Solo-Künstler:innen stellt das einen ständigen Unsicherheitsfaktor dar. Dagegen will Jopt neue Hürden errichten: „Wir denken über eine Art Beweislastumkehr nach, also dass die sogenannten ‚künstlerischen Gründe‘ in irgendeiner Art nachvollziehbar werden“. Und dem Kahlschlag bei Leitungswechsel – in Regensburg wurden zuletzt 37 Mitarbeiter:innen auf die Straße gesetzt – will man einen Riegel vorschieben: „Nichtverlängerung bei Intendanzwechsel“, ergänzt die GDBA-Chefin, „werden wir, wenn es so weit ist, nicht mehr akzeptieren.“ Und auch bei den Arbeitszeiten kämpft man für neue Modelle wie Teilzeitverträge, die Familien mehr Entlastung und vor allem Planbarkeit bringen sollen. Was Jopt und die von ihr seit 2021 geführte Gewerkschaft erreicht haben, ist jetzt schon beeindruckend – den Bühnen, vor allem aber den Haushalten der Kommunen stehen sehr harte Zeiten bevor.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Überleben, um zu sterben
Bund will bei der Freien Szene kürzen – Theater in NRW 09/24
Bessere Bezahlung für freie Kunst
NRW führt Honoraruntergrenzen ein – Theater in NRW 08/24
Neue Arbeitszeitregelungen
Theater und Gewerkschaften verhandeln Tarifvertrag – Theater in NRW 03/24
Knappheit und Kalkulation
Besucher:innenzahlen am Theater steigen – Theater in NRW 03/23
Bessere Konditionen
EU stärkt Solo-Selbstständige im Theater – Theater in NRW 11/22
Dunkle Fassaden
Das Theater und die Energiekrise – Theater in NRW 09/22
Freunde und Netzwerke
In Dortmund wurde ein neuer Festivalverbund gegründet – Theater in NRW 03/22
„Unverzichtbarkeit von Theater“
Schmitz als geschäftsführende Direktorin des Bühnenvereins – Theater in NRW 02/22
Mehr Sichtbarkeit
Claudia Roth ist die neue Kulturstaatsministerin – Theater in NRW 01/22
Palastrevolution
Lisa Jopt will Präsidentin der Genossenschaft GDBA werden – Theater in NRW 11/20
Berufsziel: Prekarisierung
Kulturrat stellt Studie zum Arbeitsmarkt Kultur vor – Theater in NRW 08/20
Die Schaubühne als weibliche Anstalt
Theaterfrauen in und aus NRW ausgezeichnet – Theater in NRW 12/19
Endspurt für Mammut-Projekt
Beethovenhalle kurz vor der Fertigstellung – Theater in NRW 11/24
Jünger und weiblicher
Neue Leitungsstruktur am Mülheimer Theater an der Ruhr – Theater in NRW 10/24
Mit allen Wassern gewaschen
Franziska Werner wird neue Leiterin des Festivals Impulse – Theater in NRW 07/24
„Zero Waste“ am Theater
Das Theater Oberhausen nimmt teil am Projekt Greenstage – Theater in NRW 06/24
Demokratie schützen
Das Bündnis Die Vielen ruft zu neuen Aktionen auf – Theater in NRW 05/24
Theatrales Kleinod
Neues Intendanten-Duo am Schlosstheater Moers ab 2025 – Theater in NRW 04/24
„Der Tod ist immer theatral“
Theatermacher Rolf Dennemann ist gestorben – Theater in NRW 02/24
Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24
Das diffamierende Drittel
Einkommensunterschiede in der Kultur – Theater in NRW 12/23
Neues Publikum
Land NRW verstetigt das Förderprogramm Neue Wege – Theater in NRW 11/23