„Young German Jazz“ wird als Markenlabel in den letzten Jahren erfolgreich etabliert. Produzent Siggi Loch hat vor einigen Jahren dieses Produkt erfunden, um „der jungen deutschen Jazzszene zu helfen“, so Loch. Aber ist dies wirklich ein moderner bzw. zeitgemäßer Gedanke, eine deutsche Jazzszene stärken zu wollen? In der Essener Philharmonie lässt sich jetzt in einem dreitägigen Jazzmarathon ein Bild vom jungen deutschen Jazz entwickeln. Der Fragen sind viele. Ist deutscher Jazz nur deutsch, wenn er von deutschen Jazzmusikern gespielt wird? Wo liegt das Verfallsdatum eines Musikers, währt die Jugend ewig? Wo und wer sind die „Old German“ Jazzer, die vom Mid German Jazzer auf das oft noch kreative Altenteil gewandert sind. Sind die Oldster die Vorbilder der Youngster? Vor gut 45 Jahren erschien in Deutschland eine Scheibe mit dem Titel „Jazz made in Germany“, auch produziert von Siggi Loch. Auf dieser Platte spielte Klaus Doldinger amerikanischen Jazz, und das als Markenzeichen damals legendäre Siegel wurde zum Exportschlager in Sachen Jazz für das Goethe- Institut und andere nationale Ämter. Ist Doldinger ein Pionier des deutschen Jazz, wollen die Jungen mal so werden wie der Boots- Klaus? Wahrscheinlich wollen sie nur so viel verdienen wie der in goldenen Tagen schürfende Filmkomponist Doldinger. Heute können die in Deutschland ausgebildeten Jazzer auf Augenhöhe mit der Weltelite spielen, Beispiel Nils Wogram, ein Posaunist mit technischer Überlegenheit und improvisatorischer Weitsicht. Der spielt allerdings keinen German Jazz. Nehmen wir die Pianistin Julia Hülsmann, Jahrgang 1968. Sie eröffnet in Essen das Spektakel mit dem BuJazzO, dem Jugendelitejazzorchester der Republik. Wo sind die Oldstars unter den deutschen Pianistinnen? Oder ist sie es selbst, als Neuvierzigerin, weil die Damen im Jazz in Deutschland ein relativ neues, aber mittlerweile prall gefülltes Fass aufmachen? Sie kümmert sich in Essen um Carla Bley, gottseidank. Albert Mangelsdorff, das war ein Jazzmusiker, der bis zum letzten Atemzug für seine freie Jazzimprovisation einstand. Die Brüder Kühn, Joachim und Rolf, die spielen heute mit mehr oder weniger Erfolg. Aber z.B. Gunter Hampel, ein internationaler Giant aus Deutschland, kennt auch Konzerte in Duell-Situation: zwei Jazzer, zwei Besucher. Hampel spielt dann übrigens trotzdem. Außer den deutschen Jazzern – mehrere Bands pro Abend – gastiert im Februar nur die HR Big Band mit amerikanischer Musik und dem ungarischen Saxer Tony Lakatos – der seit dreißig Jahren in Deutschland lebt. Ist es nicht eher so, dass es seit Einführung der Ausländersteuer verdammt wenige Gastspiele amerikanischer Musiker in Deutschland gibt? Und ist ein internationaler Austausch von Musikern nicht viel erstrebenswerter, förderungswürdiger und fruchtbarer als ein „Hochkulturstadl“ des deutschen Jazz – auch wenn der beispielweise in der Band „Cyminology“ eigentlich multikulti ist? Es ist toll, dass es diese Bewegung gibt. Aber auch international verbindende Modelle sind angedacht. Sie finden nur zu selten statt.
11./12./13.2. im RWE Pavillion Essener Philharmonie I www.philharmonie-essen.de
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