Das Geschenk von Wasser, Feuer, Erde und Nahrung, jahrtausendealtes Wissen über den Himmel und das Potenzial alternativer Heilmethoden – mit „Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ (Carlsen) erschien Ende Juni ein einzigartiges Kindersachbuch, das die Sichtbarkeit indigener Völker in den erzählerischen Mittelpunkt rückt, ohne eine westliche Perspektive einzunehmen. Der Autor selbst ist Mitglied der Piikani Nation in Kanada. Gemeinsam mit Kathy Lowinger zeichnet der Archäologe und Professor Eldon Yellowhorn ein eindrucksvolles Bild der Kulturgeschichte indigener Menschen. Ausgezeichnet mit dem White Raven 2023 richtet sich das umfangreich bebilderte Buch an Leser:innen ab 10 Jahren.
Sie erzählen vom Feuertanz der Navajo, geben Einblicke in die Feierlichkeiten der „Erster-Lachs-Zeremonie“ und beleuchten Entdeckungen und Errungenschaften, wie etwa den Ursprung von Kakao und Schokolade auf der Yucatán-Halbinsel. Von den in Florida ansässigen Calusa über die Cherokee bis zu den Azteken und Inuit – Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger beleuchten die Ursprünge, Traditionen, das kulturelle Erbe und den unglaublichen Wissensschatz verschiedener autochthoner Völker. Zu Beginn jedes Kapitels findet sich eine Karte von Nordamerika, auf der die jeweiligen Bevölkerungsgebiete markiert sind, so kann während des Lesens immer wieder zurückgeblättert und das Geschriebene verortet werden. Abgebildete Kunstwerke indigener Menschen, Fotos und farbige Infokästen beleben das Buch und machen es der jungen Zielgruppe darüber hinaus zugänglich.
Das Sachbuch zeigt die bemerkenswerte Widerstandskraft indigener Völker, ihren anhaltenden Kampf um den eigenen Kulturerhalt sowie den tief verankerten Glauben an die Einheit von Mensch, Tier und Umwelt. In sachlichem Ton teilt das Autor:innenduo spannende Überlieferungen, lässt junge und alte Indigene zu Wort kommen und bildet so ein Sprachrohr für Menschen, deren Bedürfnisse in der Vergangenheit stark missachtet wurden und die auch heute noch oft übergangen werden. Land- und Ressourcenraub, Vertreibung und Zwangsumsiedlungen, Umerziehungsheime für Kinder und die versuchte Ausrottung ganzer Gemeinschaften durch amerikanische und europäische Siedler:innen stellen Verbrechen dar, für die Wiedergutmachung geleistet werden muss. Die Lektüre zeigt auch, wie sich westliche Länder durch die massenhafte Ausbeutung von Land, Tier und Mensch von der Natur entfremdet haben. Viele indigene Menschen kämpfen aktiv gegen diese Ausbeutung. Yellowhorn und Lowinger stellen in ihrer Neuerscheinung mehrere Naturschutzprojekte vor, darunter beispielsweise das Anlegen und die Pflege von Muschelgärten in British Columbia.
Informativ und in zielgruppengerechter Sprache schreiben die beiden Autor:innen vom Grundgedanken indigener Menschen, der in der Verbundenheit mit der Natur liegt: Der Mensch ist in ihren Augen Teil eines Netzes. Nachhaltiges Wirtschaften, Respekt und Demut vor den Gaben der Natur sind für sie selbstverständlich – so handeln sie mit Blick auf die Zukunft und mit Rücksicht gegenüber kommenden Generationen. Dieser Ansatz kann das junge Lesepublikum zum Nachdenken und Hinterfragen eigener Verhaltensweisen anregen. Eldon Yellowhorns und Kathy Lowingers Titel vermittelt auf erzählerische Weise die Achtung anderer Kulturen, Lebensweisen und Weltanschauungen und sollte im Buchregal jeder Bildungseinrichtung zu finden sein.
Eldon Yellowhorn & Kathy Lowinger: Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen | Aus dem Englischen von Nina Reuther | Carlsen Verlag | ab 10 Jahren | 144 S. | 18 €
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Abschied in Istanbul
Fatma Aydemir liest in Köln
(Staats-) Affäre
Lesung im Comedia Theater
Archäologie der Zukunft
Gespräch mit Friedrich von Borries in Köln
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
„Keine Angst vor einem Förderantrag!“
Gründungsmitglied André Patten über das zehnjährige Bestehen des Kölner Literaturvereins Land in Sicht – Interview 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24
Wie geht Geld?
„Alles Money, oder was? – Von Aktien, Bitcoins und Zinsen“ von Christine Bortenlänger und Franz-Josef Leven – Vorlesung 09/24
Zerstörung eines Paradieses
„Wie ein wilder Gott“ von Gianfranco Calligarich – Literatur 09/24
Lektüre für alle Tage
Lydia Davis‘ Geschichtensammlung „Unsere Fremden“ – Textwelten 09/24
Reise durchs Eismeer
„Auf der Suche nach der geheimnisvollen Riesenqualle“ von Chloe Savage – Vorlesung 09/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Eine neue Tierethik
Maxi Obexer liest im Literaturhaus – Lesung 09/24
Vom Wert der Arbeit
8. Auftakt Festival am FWT – Lesung 09/24
Ein Quäntchen Zuversicht
Düstere, bedrohliche Welten mit kleinem Hoffnungsschimmer – ComicKultur 09/24