Erst kommen die Neandertaler, dann die spielenden Kinder, und dann kommt die Jugend. Dazwischen stehen römische Rüstungen und derGustorfer Chorschranken mit Christus als Weltenrichter sowie drei Apostel. Was auf den ersten Blick ziemlich unübersichtlich erscheint, wird strukturiert durch Rundgänge in Themen und Epochen.
Das LVR-LandesMuseum Bonn bietet einen einzigartigen Einblick in die Kulturgeschichte des Rheinlandes, einer Kernregion Europas.Alle neu gefundenen archäologischen Artefakte im Rheinland, mit Ausnahme der Kölner Funde, gelangen dorthin. Kein Wunder, dass es jeden Monat ein Fundstück des Monats zu sehen gibt im einzigartigen „Schaufenster" für Geschichte und Kunst unserer Region.
Im zweiten Stock wird es dann visuell seriell beruhigt. Hier zeigt das Museum die Wechselausstellung „Für immer jung – 50 Jahre Deutscher Jugendfotopreis“, die aus dem Deutschen Historischen Museum in Berlin stammt, wo etwa 10.000 Bilder den Bestand des Deutschen Jugendfotopreises bilden, der seit 1961 vom Bundesjugendministerium gestiftet wird. Das LVR-LandesMuseum zeigt in Bonn immerhin noch über 300 Fotografien.
Was explizit auf den ersten Blick in der Ausstellung auffällt, ist die Zeitlosigkeit der Bilder. Eingeordnet in elf Themenkreise, aber nicht nach Jahrgängen sortiert, zeigen die Fotos nicht nur Wegpunkte der kollektiven Erinnerung, sondern auch deutsche Geschichte in gefrorenen Momenten. Sehr schön an den Bildern zu sehen, wie sich die Studentenrevolte der späten 1960er in Schwarzweiß (Wilfried Bauer, Schülerdemonstration, 1969 oder Matthäus Hollmann, Dein Freund und Helfer, 1967) über die Auseinandersetzung zwanzig Jahre später gegen G8-Gipfel und Atomkraft, bis hin zu auch optisch innovativen Protesthaltungen des neuen Jahrtausend (Robin Hinsch, Strasbourg, 2010) zieht.
Aber auch die erst einmal typisch standardisierten Themenkreise wie „Freunde und Gemeinschaft“ oder „Zweisamkeit und Liebe“ zeigen oft unerwartete Ergebnisse zwischen der sittsamen Rummelplatzromanze von 1964 (Werner Kohn) und den freizügigen Paaraufnahmen der letzten Jahre (Friedemann Hoerner, Intimidité, 2002). Mein Highlight hier ist ein wunderbar inszeniertes junges Paar vor nebliger Gebirgslandschaft von Alexandra Gaul aus dem Jahre 2000. In diesem Themenkreis findet sich auch eine sehr frühe Aufnahme von Wolfgang Volz (Mädchen im Rausch, 1970), der später als Christo-Hausfotograf Karriere machte. Eines der besten Bilder entstammt der Kategorie Begegnen-Beobachten. Yves Graupner fotografiert 1991 drei ermattete Männer aus drei Generationen in der Straßenbahn. An der Scheibe klebt eine Werbetafel: Hier verdiene ich mich klug und clever – bei Manpower!
Karriere haben viele der Preisträger des Deutschen Jugendfotopreises gemacht. Neben Volz auch Ute Eskildsen, die heute die Fotografische Sammlung des Essener Folkwang Museums leitet, oder auch Katharina Bosse und Judith Samen als freie Fotografinnen. In der jüngeren Geschichte sind Jochen Manz und Martin Eberle zu nennen. Eberle hatte mit der Galerie berlintokyo in Berlin (1987-1999) einen selbstorganisierten Ort, wo neben Ausstellungen auch Konzerte stattfanden, heute hat er sich auf Architekturfotografie spezialisiert.
Sicher haben über die Jahrzehnte Wettbewerb viele Foto-Studenten und bereits Halbprofessionelle teilgenommen; bemerkenswert, dass es auch sehr junge Preisträger gab, die mit einem Schnappschuss die Lorbeeren ernten konnten. Kein Schnappschuss ist die vierteilige Serie der 12jährigen Monika Barnekow aus Berlin, die 1982 die Geburt ihres Brüderchens ablichte (ohne Titel, 1982). Ziemlich installiert auch das prämierte Foto „Lumpi mit Flaschen“ (1991) von der erst 15jährigen Michiko Kauska aus Solingen. Alle gemeinsam finden sich in einem ausgezeichneten Katalog, der die Ausstellung im LVR-LandesMuseum begleitet. Und nach der Ausstellung wieder hinein ins rheinische Landleben der römischen Legionen.
„Für immer jung – 50 Jahre Deutscher Jugendfotopreis“ I bis 12. August I LVR-LandesMuseum Bonn I www.rlmb.lvr.de
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