Die Spanier sind nicht nur stolz auf ihre Künstler, sie lieben sie auch innig. Deshalb benutzen sie die auch im rheinischen Sprachgebrauch sehr beliebte Variante der Verniedlichung. So hieß ein bereits verstorbener großvolumiger Schluchz-Sänger Manzanita, das Äpfelchen. Bei einem anderen Kandidaten aus dem Süden der iberischen Halbinsel hat die Verkleinerung ganz vernünftige Gründe. Wurden sein Großvater und Vater bereits „El Tomate“, die Tomate, gerufen, so nannten seine Verwandten das bereits früh als talentiert auffallende Bürschchen Tomatito, das Tomätchen. Und Tomätschen, wie der Kölner sagt, sind oft sehr aromatisch.
Auch José Fernández Torres ist in der kargen Landschaft Andalusiens gereift. Opa und Vater spielten bereits erfolgreich Gitarre in lokalen Folklore-Ensembles, die natürlich auch den Flamenco pflegten. Mit 16 Jahren begann der kleine José, mit der Legende Camarón de la Isla durch die Welt zu reisen. Fast zwei Jahrzehnte tourte er mit diesem Flamenco-Barden, erlebte die Kulturmetropolen und lernte prominente Unterhaltungsstars kennen. Als sein Mentor Camarón 1992 nach einer steilen Drogenkarriere das Zeitliche segnete, hatte José sich seine Position in der musikalischen Gesellschaft erspielt: Der talentierte Gitarrist hatte seine Fähigkeiten immens gefestigt, selbst Ikonen wie Frank Sinatra oder Pop-Diva Elton John suchten seine gitarristische Assistenz.
Heute befindet sich der Flamenco-Spezialist nach mehr als zwanzig Jahren auf einem Höhepunkt seiner internationalen Solokarriere. Und das Tomätchen musste sich dafür nie verbiegen: Seine Flamenco-Show ist weitgehend authentisch, weitab von einer Touristenbelustigung verkörpert sein Sextett Tradition und Ernst dieser stolzen Musik. Vergleichbar wird immer wieder der große alte Mann des Flamencos herbeizitiert: Paco de Lucía, der seinerseits früh das reifende Pflänzchen Tomatito im Ohr behielt und förderte, liefert in seinen Auftritten ebenfalls ein Bild von der Geschichte der andalusischen Musik, meist mit einem Gesicht, als ginge es gerade um Leben und Tod. Und darum dreht sich ja auch diese Mischung aus rituellem Tanz, deklamierendem Gesang und aufflammender Virtuosität an der Gitarrensaite – es geht meist um Herzblut.
Mit welcher unaufdringlichen Brillanz der Chef Akkorde harft und temperamentvolle Raketenläufe aus dem Griffbrett seiner speziellen Langhals-Flamencogitarre schießt, das übersetzt die Unruhe im Herzen der andalusischen Musiker, deren Musik sich auf maurische und jüdische Wurzeln beruft. Und Tomatito hat sich zudem auf seinen vielen Reisen niemals dem Neuen verschlossen; Elemente des Jazz oder aus der Klassik fließen in sein gelebtes Konzept eines zeitgemäßen Flamencos: des Flamenco nuevo.
Termine:
Fr 25.1. | Konzerthaus Dortmund | www.konzerthaus-dortmund.de
Sa 26.1. | Kölner Philharmonie | www.koelner-philharmonie.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23
Wonnemonat für Fusionfans
Drei E-Gitarren erobern das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 10/23
Funk und Soul mit fetten Sounds
„Tribute To Curtis Mayfield“ in der Kölner Philharmonie – Improvisierte Musik in NRW 09/23
Das Trommel mal ganz vorne
„Schlagzeugmarathon“ in Essen – Improvisierte Musik in NRW 08/23
Bird with Strings
Karolina Strassmayer in Essen – Improvisierte Musik in NRW 07/23
Tüchtige Kellerkinder
Subway Jazz Orchestra feiert zehnten Geburtstag – Improvisierte Musik in NRW 06/23
John Scofield allein zu Haus
Der große Gitarrist in Oberhausen – Improvisierte Musik in NRW 05/23
David Murray auf Hochtouren
„International Jazz Day“ auf Burg Linn – Improvisierte Musik in NRW 04/23
Es klingelt das Vibraphon
Wolfgang Lackerschmid im Jazzkeller Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 03/23
Sisters in Jazz
Cæcilie Norby und Band in Bad Hamm – Improvisierte Musik in NRW 02/23
Je bunter, umso besser
„Die Verwandlung“ in Wuppertal, Köln und Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 01/23
Den Eisbär im Programm
JugendJazzOrchester NRW im Stadtgarten Köln – Improvisierte Musik in NRW 12/22
Ein Klangträumer an den Tasten
Michael Wollny Trio in Düsseldorf und Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 11/22