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Monsieur Aznavour

Monsieur Aznavour
Frankreich 2024, Laufzeit: 133 Min., FSK 0
Regie: Mehdi Idir, Grand Corps Malade
Darsteller: Tahar Rahim, Bastien Bouillon, Marie-Julie Baup

Detailfreudig ausgestattetes und großartig interpretiertes Biopic

Melancholische Reibeisenstimme
Monsieur Aznavour von Mehdi Idir und Grand Corps Malade

Die nach der autobiografisch gefärbten Tragikomödie „Lieber Leben“ (2016) und dem Coming-of-Age-Film „Schulalltag“ (2019) dritte Zusammenarbeit des Autoren- und Regie-Duos Mehdi Idir und Fabien Marsaud (der sich als Grand Corps Malade auch als Musiker und Poetry-Slammer einen Namen gemacht hat) wagt sich an das Porträt einer der größten französischen Chanson-Ikonen: Charles Aznavour.

Aznavour kam 1924 als Charles Aznavourian in Paris zur Welt. Sein Vater war aus Georgien eingewandert, seine Mutter vor dem türkischen Völkermord an den Armeniern geflohen. Mit schwarz-weißen, dokumentarischen Filmaufnahmen dieses Genozids beginnt auch „Monsieur Aznavour“. Die Bilder werden dann aber schnell farbig und zeichnen ein pittoreskes, detailverliebt ausgestattetes Szenario des Pariser Künstlerviertels Quartier Latin, dem man die Produktionskosten von 40 Millionen Dollar jederzeit ansieht – ohne, dass es protzig wirkt. Charles Eltern schlagen sich mehr schlecht als recht mit einem kleinen Bistro durchs Leben, versuchen ihrem Sohn und seiner ein Jahr älteren Schwester Aida trotz aller Armut eine glückliche Kindheit und Jugend zu ermöglichen. Eher zufällig hat Charles mit sieben Jahren seinen ersten Bühnenauftritt. Doch sein einziger Satz steht symbolisch für seine spätere Karriere, die er sich wahrlich erkämpfen musste, ehe er zum Star wurde: „Ja, ich bin angekommen.“

Doch vor dem Ankommen holt die Aznavourians erst einmal die Politik ein: Die Nazis überfallen Frankreich, die Familie unterstützt den Widerstand und versteckt Juden. Der fast erwachsene Charles (Tahar Rahim) tritt mit seinem besten Freund Pierre Roche (Bastien Bouillon) mit witzigen Couplets oder Coverversionen schon bekannter Chansoniers wie Charles Trenet in Nachtbars auf. Von eigenen (Liebes-)Liedern rät man ihm ab, weil er „zu hässlich sei und eine allzu kratzige Stimme habe“. Doch gerade die macht Édith Piaf (Marie-Julie Baup) auf ihn aufmerksam, die ihn und Roche als Vorprogramm mit auf Tournee nimmt. Die Piaf wird zu seiner Mentorin, rät ihm zu einer Nasenoperation und mischt sich auch sonst in sein Privatleben ein. Er schreibt Hits für sie, löst sich erst langsam aus ihren besitzergreifenden Fängen. In der Beschreibung des künstlerischen Dreiecks Charles, Pierre und Édith zeigt der bis dahin wie im Schnelldurchlauf durch die Zeit- und Privatgeschichte hechelnde Film seine größte, inszenatorische Qualität. Nicht zuletzt geadelt durch das authentische Spiel der Protagonisten: Marie-Julie Baup spielt mit viel Empathie die bisweilen tyrannische Diva und Tahar Rahim und Bastien Bouillon geben ein (musikalisches) Freundespaar, das in seiner mitreißenden Symbiose an das Musical-Duo Gene Kelly und Donald O‘Connor in „Singin‘ in the Rain“ erinnert. Rahim bringt dazu noch das Kunststück fertig, die Romantik und Melancholie von Aznavours Texten zu vermitteln, ohne dessen Stimme zu kopieren. Dafür hat er sich die Mimik und Gesten der Ikone perfekt zu Eigen gemacht und hält glaubwürdig die Balance zwischen Nähe und Distanz zu seiner Rolle. Manchmal hätte man sich diese Tiefe auch in den privaten Momenten gewünscht, etwa in der Episode mit seinem – von ihm erst im Alter von neun Jahren anerkannten – Sohn Patrick, der mit 25 an einer Überdosis Drogen starb. Auch seine drei Ehen rauschen irgendwie vorbei, genauso wie die Begegnungen mit Frank Sinatra und Gilbert Bécaud sowie ein allzu kurzer Blick auf die Dreharbeiten mit Francois Truffaut bei „Schießen sie auf den Pianisten“ (1960). So bleibt vor allem die suggestive Kraft von Aznavours Liedern und Konzertauftritten im Gedächtnis, die dieses äußerst unterhaltsame Biopic bietet.

(Rolf-Ruediger Hamacher)

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