Die Pause in der Musik ist nicht wirklich still. Sie kann der Höhepunkt eines Werkes sein, wenn der Dirigent nach dem letzten Ton die Arme nicht absinken lässt, sondern versucht, die Applausfetischisten zu irritieren, dass sie nicht in diese „heilige“ Stille einbrechen und das zerstören, was da innerlich nachklingt. Pausen in der Komposition strukturieren wesentlich die Musik, die eine mehr, die andere weniger. Pausen sind in der Rock- und Popmusik weitestgehend ausgemerzt. Das kann mit dem Verbreitungsmedium zu tun haben, denn ganz besonders der Rundfunk hasst die Pausen. In dem künstlerisch gesetzten geräuschlosen Moment schweigt nämlich der Empfänger. Und das darf er nicht. Dabei ist die Pause eine sehr natürliche Angelegenheit. Der Sänger nutzt sie, um sich mit Luft zu versorgen. Aber es gibt sogar eine komponierte Pause, sie heißt „4´33“ und stammt von John Cage. Im August 1952 spielte der amerikanische Pianist David Tudor in New York die Uraufführung dieser neuen Komposition. Er nahm am Flügel Platz, schloss den Klavierdeckel, harrte exakt 4 Minuten und 33 Sekunden aus und öffnete den Deckel wieder. Das war`s. Einige zeitgenössische Komponisten behandeln die Pause wie ein Heiligtum und nutzen sie wirkungsvoll. Ruhe und Kraft bezieht die Musik Arvo Pärts aus dem Atmen. Und Karlheinz Stockhausen, der am 22. August 2008 seinen 80. Geburtstag hätte feiern wollen, liebte die bewusst gesetzte Pause zum Nachhorchen, zum Abschmecken und zum Überdenken des gerade Gehörten. An sein Lebenswerk „Licht“ erinnert eine Inszenierung von „Michaels Reise“, einem instrumentalen Teil mit einer fulminanten Trompetenpartie, die Stockhausen seinem Sohn Markus in die Trompete schrieb. Marco Blaauw wird in Köln im Raumfahrerkostüm blasend durch die Philharmonie schweben (25./26.8). Zum Geburtstag ist einiges los. So zeigt das Filmforum in Köln den Dokumentarfilm zum Helikopterquartett des Meisters, in dem die Streicher in vier fliegenden Helikoptern von Stockhausen am Boden synchronisiert wurden – eine umgesetzte Traumsequenz des Komponisten. Auch der WDR und die zeitgenössische Szene lassen es für den 2007 verstorbenen Guru krachen – den liebten bekanntlich Künstler wie die Beatles oder Miles Davis. Die Sommerpause der Musik bleibt wichtig. Der interessierte Hörer sollte einmal im Jahr das Gefühl haben dürfen, nicht ständig etwas zu verpassen. Zum Beispiel den Auftritt des amerikanischen Gitarrentraums Lee Ritenour im Alten Pfandhaus in Köln. „Captain fingers“ persönlich segelt mittendrin in der Musikflaute mit seiner legendären Fusionmischung (4.8.). Während Köln den Meistern huldigt, setzt die Ruhrtriennale auf „Spurensuche“: Mike Herting, Allround-Musiker, hat 60 Kollegen aus 25 Nationen zu einem dreitägigen Konzert-Event (28./29./30. August) gebeten. In der Gebläsehalle / Landschaftspark Duisburg-Nord soll Weltmusik erklingen – im intimen Rahmen und ohne Käfig. Ukrainische und nigerianische, indische und marokkanische Klänge mischen sich mit deutschem Liedgut. Wie wird es klingen wenn neun iranische Frauen „Ich hab die Nacht geträumet“ interpretieren? Da darf der durch die Sommerfrische gestärkte Musikfreund gespannt sein.
www.wdr3.de / www.altes-pfandhaus.de / www.koelner-philharmonie.de / www.ruhrtriennale.de
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