Arne Birkenstock, Jahrgang ’67, arbeitet als Autor, Regisseur und Produzent von Filmen wie „Chandani und ihr Elefant“ oder „Sound of Heimat“.
Herr Birkenstock, wie kamen sie auf die Idee zu Ihrem Film „Beltracchi – die Kunst der Fälschung“?
Arne Birkenstock: Ich habe Wolfgang und Helene Beltracchi durch die Vermittlung meines Vaters, der ihr Anwalt im Strafprozess war, nach ihrer Verurteilung im Herbst 2011 kennengelernt. Sie hatten damals mehrere Anfragen für Filme, TV-Sendungen und Bücher. Sie haben alle diese Angebote in Ruhe geprüft und sich dann, was den Film angeht, zum Glück für mich und mein Team entschieden.
Wie konnten sie die Dreharbeiten mit dem angeklagten Ehepaar realisieren?
Nach der Urteilsverkündung wurden die Beltracchis aus der Untersuchungshaft entlassen, und es vergingen ein paar Monate bis sie ihre Haftstrafe im Offenen Vollzug antreten mussten. In dieser Zeit konnten wir mit ihnen auch außerhalb von Köln drehen, insbesondere in ihren Häusern in Freiburg und Frankreich, die ja vor der Pfändung standen. Nachdem beide Anfang 2012 ihre Haftstrafe antraten, konnten wir mit den beiden nur noch tagsüber und auch nur noch in Köln bzw. in Bergisch Gladbach drehen.
Es gibt das Genre der Künstlerdoku, und sie zitieren ja auch Peter Schamonis Max Ernst-Film. Hatten sie Vorbilder, oder erfordert eine Kunst-Fälscher-Doku noch mal einen ganz anderen Ansatz?
Ein Künstlerporträt wie über Max Ernst oder Gerhard Richter hätte ich in diesem Fall unangemessen gefunden. Aber natürlich gibt es eine ganze Reihe Szenen, die diesem Genre recht nah kommen, etwa die Atelierszenen, wo wir sehen, wie Beltracchi gearbeitet hat und ihn bei seiner Kunstfertigkeit erleben. Ich habe das Ganze eigentlich immer als eine Art von Gaunerkomödie betrachtet.
Ahnten Sie, wie unterhaltsam Wolfgang Beltracchi sein würde?
So ganz genau weiß man das vorher nie, denn viele Protagonisten wirken in Vorgesprächen ganz natürlich und sind dann ganz schüchtern oder steif, sobald eine Kamera ins Spiel kommt. Wolfgang Beltracchi war tatsächlich ein ungemein dankbarer Protagonist. Nicht nur, weil er unterhaltsam ist, sondern auch, weil er sich nicht verstellt hat und sehr authentisch rüberkommt. Man erlebt seine guten, aber auch seine schlechten Seiten doch sehr nah: Einerseits den Witz, den Charme und seine Pfiffigkeit, andererseits aber auch eine gewisse Hybris und Großspurigkeit.
Am Ende bleibt das Gefühl eines Kavaliersdeliktes ...
Das wundert mich. Beltracchis Ansicht, wonach seine Fälschungen womöglich besser oder wertvoller seien als die Originale selbst, wird im Film deutlich entgegengetreten. Die Kunsthändler und Sammler erklären darin ganz gut, was ein Bild verliert, wenn sich herausstellt, dass es nicht das ist, wofür es gehalten wurde. Und der Ausschnitt mit Max Ernst verdeutlicht, dass ein künstlerischer Prozess sehr viel mit Fragen, Ausprobieren und Suchen und manchmal auch mit der Angst vor der leeren Leinwand zu tun hat. Auch das strafrechtliche Delikt des Betruges wird im Film deutlich thematisiert. Trotzdem kann in diesem Film der Kunstmarkt nicht ungeschoren davonkommen. Schließlich wurde hier auf verschiedenen Seiten überaus fahrlässig gehandelt und man hat es dem Fälscher wirklichzu einfach gemacht. Da geht es also nicht um Bagatellisierung, sondern darum, nicht zu verschweigen, wer die Mitverantwortung für den ganzen Skandal trägt.
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