Nichts als Theater hatte Sergej Prokofjew im Sinn, als er sich 1919 von einer Moskauer Bühnenzeitschrift mit dem Titel „Die Liebe zu den drei Orangen“ zu einer Oper anregen ließ. In dem Almanach des russischen Regisseurs und Theater-Erneuerers Wsewolod Meyerhold hatte der Komponist das gleichnamige Stück des Venezianers Carlo Gozzi entdeckt, das ihn sofort faszinierte: „… mit seiner Mischung von Märchenhaftem, Humoristischem und Satirischem (hat es) einen starken Eindruck auf mich gemacht“, erinnerte sich Prokofjew.
Gozzi war ein Verfechter der alten Commedia dell‘arte mit ihren spontanen Einfällen und ihrem improvisierten Spiel. Prokofjew begeisterte sich für die Darstellung der bloßen Mittel des Theaters, die nicht an eine „natürliche“ Logik einer Handlung gebunden sein sollten. „Die theatralischen Möglichkeiten interessierten mich ganz besonders“, schrieb er in seinen Erinnerungen. „Die drei verschiedenen Ebenen, in denen sich die Handlung entwickelte, waren an sich schon eine Neuheit: 1. Die märchenhaften Figuren wie der Prinz, Truffaldino usw.; 2. Die Mächte der Unterwelt: Tschelio, der Zauberer, die Hexe Fata Morgana; 3. Die komischen Gestalten, wie die Theaternarren, die alle Vorgänge kommentieren.“
Scherz, Parodie und Ironie kommen nicht nur in der absurden, Polit-Intrige, Märchen und Magie vermischenden Handlung, sondern auch in der Musik zum Tragen. Prokofjew öffnet seinen Zauberkasten und kombiniert reiche Klangfarben, rhythmische Vielfalt und instrumentalen wie motivischen Humor zu einer Musik, die sich in keinem Moment festlegt. Mal scheinbar ernst und tragisch, dann wieder karikierend werden Motive eingesetzt. Lautmalerei und beschreibende Floskeln trumpfen mächtig auf oder parodieren einzelne Situationen. Unheimliche Akkorde, schmachtende Kantilenen oder das trockene Staccato aus italienischen „Lacharien“: Alles hat seinen Platz in einer Partitur, die vor allem mit geistreich-absurder Komik unterhalten will. Und über alles triumphiert der „Orangen-Marsch“, den GMD Dirk Kaftan und sein Ensemble den Zuschauern als Ohrwurm mit nach Hause geben. Der preisgekrönte Regisseur Leo Muscato – zuletzt mit Rossinis „La Cenerentola“ und Händels „Agrippina“ an der Oper Bonn – hat das Rüstzeug dazu, die Wurzeln der Oper Prokofjews in der italienischen Komödie freizulegen.
Die Liebe zu den drei Orangen | 14. (P), 18., 20., 28.4, 11., 25., 31.5., 2., 8, 29.6. | Oper Bonn | 0228 77 8008
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