Unter den vielen gelogenen Kneipenwahrheiten, die man sich mit Alkohol nicht wahrer trinken kann, ist eine besonders infam: „Der schönste Platz ist immer an der Theke.“ Denn mal Hand aufs Herz – wer will schon den ganzen Abend den Sprüchen launiger Wirte und noch launigerer Stammgäste ausgesetzt sein und dabei immer im Generalverdacht stehen, der Einsamkeit ein letztes Mal ein Schnippchen schlagen zu wollen? Etwas anderes ist es aber, wenn der Platz an der Theke der einzige freie Platz ist, weil der eigene Lieblingsort zum Lieblingsort von vielen geworden ist.
Im Norden der Bochumer Innenstadt gab es einen solchen Ort. An der Herner Straße trafen sich die Gäste einer Bar mit dem Frisiersalonwerbungs-tauglichen Namen „London Tokyo Paris“, als der Laden wegen finanzieller Schwierigkeiten des bisherigen Betreibers geschlossen werden sollte, einfach weiter in derselben Location. Seinen Platz an der Theke gibt man ja nicht einfach so auf. Und so wurde mit wenig Geld, einem Eintrag ins Vereinsregister und etwas Spaß an der Musik die „Goldkante“ gegründet. Und so gab es weiter Cocktails, und die Lampen hingen immer noch leicht asymmetrisch über der Theke. Dazu lief ein Soundtrack aus Nerd-Indie, House, Old School-HipHop und britischer Bassmusik – genau so sollte eine Bar sein. Aber die eigentliche Spezialität der Goldkante war ihr DIY-Konzept. Wer auflegen, Lesungen veranstalten oder sonst einen Abend was tun wollte, durfte vorbeikommen. Vor gut zwei Jahren hatte die Idylle an der Herner Straße dann ein Ende. Auf Ärger mit den Nachbarn folgte Ärger mit der Vermieterin, die sich etwas „Besseres“ für ihr Ladenlokal wünschte. Und damit war die Goldkante in der alten Form Geschichte. Fortan gab es Gerüchte, eine neue Adresse an der Hattinger Straße und lange verschlossene Türen. Vor ein paar Wochen tauchte dann auf einmal ein Video im Facebook-Stream auf: „Die Goldkante ist eröffnet“, verkündet ein Sprecher im Politbonzen-Stil, und das Volk tat, wie ihm geheißen. Es stürmte die neuen Räume in Bochum-Ehrenfeld, dort, wo einst von Kreativquartieren geträumt wurde, aber doch nur ein wirklich schöner Thekenplatz wieder auferstanden ist.
Auch in der Kölner Bar „King Georg“ kommt man an der Theke kaum vorbei. Brutal vertäfelt und mit Rotlicht verziert steht sie einnehmend im Raum. Viel Platz für Einsamkeit also, aber das stört nicht. Schließlich war die Bar früher ein Laufhaus. Mittlerweile ist selbst in der Nähe vom Eigelstein das Miljöh im Niedergang, und so setzt man im King Georg halt auf Kost für die prekäre Intelligenz: Theorielesungen, Konzerte zwischen Post-Indie, Lo-Fi und Heimelektronik. Daneben noch ein DJ-Programm, das den im Laufe der 90er entstandenen, irgendwie prätentiös benannten „Bar-DJ“ mit liebevoll ausgewähltem Cratedigging doch noch für die Gegenwart rehabilitiert und trotz der Lage abseits der üblichen Feierwege sein Publikum findet. Dieser Tage feiert man den dritten Geburtstag – ohne Jubiläumsprogramm, aber mit einem limitierten Stoffbeutel im 12-Zoll-Format als Accessoire für die Stammkundschaft.
Goldkante | Alte Hattinger Straße 22, Bochum | www.goldkante.org
King Georg | Sudermannplatz 2, Köln | www.kinggeorg.de
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