Mit dem Kontrapunktus I aus Bachs Kunst der Fuge, arrangiert fürs Streichquartett, fängt dieses Spektakel an: Linien verbinden die Noten, gestartet beim jeweiligen Fugeneinsatz, nach Stimmen farblich abgesetzt. Ein Netz wie ein städtischer Linienplan der Verkehrsbetriebe entsteht, die vielzitierte Mathematik in Bachs Musik wird in Tonhöhe und Dauer ausgemessen und in eine Zeichnung übertragen. Und plötzlich verselbständigt sich die Wissenschaft und bricht auf in fantastische Landschaften, die gezeichneten Formen werden lebendig und füllen sich mit künstlerisch entfalteten Analogien aus Architektur, Landschaft, Kunst und Farbexplosionen.
Am Anfang, witziger Weise genau nach Abschluss dieser Bach-Produktion beim Deutschlandfunk (DLF), stand die Entdeckung der Arbeit von PiedraMudaLAB, einer konzertanten Video-Installation mit berauschend poetischen Bildern. Und schon sprudelten die Ideen bei den Spielern im Delian Quartett, etwas wirklich Neues auszuprobieren, wie es sich der Geiger Andreas Moscho damals beim DLF so vorstellte: „Neu wäre, nicht nur eine Art Parallelität zwischen Bildern und Musik herzustellen, sondern beide ursächlich miteinander zu verknüpfen, nicht nur den Affekt in der Musik zu verstärken, sondern sehen zu lassen, was wir gerade akustisch tun auf der Bühne.“
Es war schnell klar, dass Bachs Kunst der Fuge der ideale, auch für Laien nachvollziehbare Soundtrack für die visuellen Umsetzungen wäre. Grundlage der Bilderwelten transkribierte der Musiktheoretiker Andrea Damiano Cotti in eine graphische Partitur, strukturbildende Grundlage für alles Folgende. Und die Kreativfabrik in Barcelona um die Protagonisten Marc Molinos und Alberto De Gobbi versuchte, eigene und vom Quartett eingebrachte Fantasien in surreale Bilderwelten zu entführen.
So wie der Popsong und noch viel mehr der Nackte-Weiber-Goldkettchen-Rap untrennbar vom Video existiert, so werden auch nie die Versuche abreißen, klassische Glanzlichter mit blühenden Landschaften zu füllen. Was bei der Alpensinfonie von Richard Strauss oder der Moldau von Smetana naheliegend glücken kann, verlangt mit jeder gesteigerten Stufe abstrakter Tonmalerei neue poetische Konversation auf höchster künstlerischer Ebene. Bachs Korsett wird mathematisch aufgeschlüsselt – und diese Idee klingt vielversprechend.
Delian Quartett: Die Kunst der Fuge – Bach in 3D | 30.9. | Konzerthaus Dortmund | 0231 22 69 62 00
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