Eugenik ist ein rechter Klassiker. Die AfD hat nun ein wahres Rasse-Exemplar neonazistischer Züchtung ins Berliner Abgeordnetenhaus gehieft: Kay Nerstheimer, linkes Auge AfD-blau, das rechte klassisch braun. Passend, war er doch Mitglied bei der rechtsextremen German Defense League. Wir sehen: Nazi sein geht klar, und ist genauso wenig Hindernis für eine Polit- wie für eine Musikkarriere. Das wissen wir seit den Böhsen Onkelz („Alle Türken müssen raus, Türkenfotze unrasiert“, falls es wer vergessen hat). Von der Geschichte rechtsextremer Musik kann man lernen: darüber, wie rechte Denkmuster salonfähig werden und über Strategien der Selbstinszenierung, die auch die AfD im Werkzeugkoffer hat. Einen Überblick bietet die Doku „Deutsche Pop-Zustände – Eine Geschichte rechter Musik“, am 3. und 4. November im Dortmunder U zu sehen.
Der Film beginnt im Großbritannien der 80er, wo die Band Skrewdriver die Braunpause für Rechtsrock lieferte und verfolgt eine Entwicklung, die schließlich in der Übernahme von Nazi-Narrationen in den Mainstream mündet. Stichwort: Xavier Naidoo („Wo sind unsre Führer?“). Auch die Bedeutung von Rechtsrock für die Pogrome zu Beginn der 90er wird deutlich – über die Journalist Diedrich Diedrichsen seinerzeit den Aufsatz „The kids are not alright“ schrieb. Seine Beobachtung fasste die Hip-Hop-Band Beginner später treffend zusammen: „Jeder Fuchs weiß/ dass ähnliche Garderobe heute leider nicht mehr Schutz heißt“. Ebenso zeigt der Film die Doppel-Strategie des Rechtsrock, derer sich auch die AfD bedient: Auf der einen Seite gibt es die offen Radikalen, gleichzeitig jene, die im Vokabular der Blut-und-Boden-Ideologie von Heimatliebe singen. Das Verhältnis von AfD zur Identitären Bewegung, die gemeinsam mit der NPD marschiert, ist ähnlich.
Wichtig bleibt: Rechtsrock ist kein künstliches Propaganda-Instrument, mit dem böse Nazis naive Massen manipulieren, sondern natürlich gewachsen: Skrewdriver war anfangs eine Punk-Band. Die Assimilierung fremder Musikstile kam später, zum Beispiel durch Rapper Makks Damage mit Everbrowns wie „Das Reich lebt“. Und wo lebt es, das Reich? Im ostwestfälischen Gütersloh, wo Kameradschaften durchs Unterholz kriechen und in den Teutoburger Wald kacken, wie es einst die Germanen taten.
Aus OWL stammt auch Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer, der richtigerweise auch in der Doku zu Wort kommt. In der Diskussion um die AfD wird seine Forschung übrigens erschreckend selten rezipiert. Die fand raus: Menschenfeindliche Einstellungen sind kein Randphänomen, sondern Teil der Mitte. Vielleicht sind nicht die Sorgen einfacher Bürger das Problem – sondern, dass viele Deutsche schlichtweg Rassisten sind. Das Volk ist nicht alright. Das wird man ja noch sagen dürfen. Und fragen müssen: Denn Sorgen, wenn es wirklich um Sorgen gehen würde, kann man lindern. Bei Rassismus sieht‘s schwieriger aus. Nicht unschaffbar, aber sehr viel schwieriger.
„Deutsche Pop-Zustände – Eine Geschichte rechter Musik“ | R: Lucia Palacios und Dietmar Post | Do 3.11. & Fr 4.11. | Kino im Dortmunder U | 0231 502 47 23
Lesetipp: Christian Dornbusch, Jan Raabe (Hg.): RechtsRock. Bestandsaufnahmen und Gegenstrategien | Unrast | 540 S. | 24 €
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