Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17

12.577 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Keine Mädchen, kein Flughafen: Girls in Airports
Foto: Laerke Posselt

Girls in Airports

28. September 2017

Zuhause im Zwischenland – Popkultur in NRW 10/17

Oh mein Gott, es ist Jazz. Muss ich jetzt etwa intellektuelle Kompetenzen auffahren, um bei dieser Musik durchzusteigen? Nein, keineswegs. Alarmsirene aus, Kopfhörermodus an. Denn die Musik der fünf Kopenhagener ist smooth, anheimelnd und warm, sie hält die Zeit an und lässt darin wunderbare Blüten treiben. Ein Piano wie von Thom Yorke entführt in die Schwerelosigkeit, ein Saxophon erzählt von der Schönheit des Einfachen, der Bass klingt nach Sommerregen, das Schlagzeug erinnert vage an Hip-Hop, und dann kommt der Moment, der diese Band besonders macht: das zweite Saxophon setzt ein, repetitive Töne irgendwo zwischen Afrika, Dance und Einstürzenden Neubauten, das Ganze driftet in psychedelische Sphären, ein Perkussionist gibt dem Beat plötzlich Karibikflair, und schließlich nimmt das Zwiegespräch der Saxophone einem sämtliche Worte aus dem Mund.

Diese Musik ist so ortlos und zeitgemäß, dass sie überall gespielt werden kann. Was auch passiert: Die Jungs von Girls in Airports traten in den neun Jahren ihrer Karriere nicht nur in plüschigen Wohnzimmerclubs und bei internationalen Jazzfestivals auf, sie spielten in China mit Folkmusikern, in Brasilien mit einem der bekanntesten Perkussionisten, in Berlin in der Kantine am Berghain, und in der Bochumer Christuskirche in der empfehlenswerten Reihe urban urtyp. Gerade veröffentlichten Girls in Airports nach vier Studioalben ihr erstes Livealbum, welches sie im April in Hamburg, Dresden und Berlin aufgenommen haben. Jetzt stehen Auftritte in Dortmund und Münster auf dem Programm, und lassen Großes erwarten.

Denn gerade auf der Bühne sind Girls in Airports eine dieser Bands, die anschaulich machen, dass ein Beharren auf Genregrenzen die musikalische Landschaft nur ärmer macht. Parallelen zu begnadeten Jazzern fallen einem natürlich ein, etwa zu Soft Machine, bezüglich der Spannung zwischen Struktur im Jazz und dem zum Kontrollverlust neigenden Psychedelic Rock, oder zu Weather Report, was die Kombination von Schlagzeug und Percussions und die Verarbeitung afrikanischer Einflüsse angeht. Folk- und Weltmusik stehen Pate, aber ebenso Brian Enos vielleicht sogar namensgebendes Album „Ambient 1: Music for Airports“, dann werden wieder Strukturen gesprengt, es blitzen Indie-Rock-Momente auf, die in krautrockige Soundreisen münden. Ihre Musik könnte ein Patchworkteppich sein, aber so intensiv, wie die Musiker aufeinander eingehen, ist sie organisch und machtvoll. Eingängig genug für Pop, spielverliebt und artistisch genug für Jazz, weitsichtig genug für Ethno, herzhaft genug für Indie-Rock. Und wenn die Welt tatsächlich ein sich immer schneller drehendes Karussell globaler Einflüsse ist, dann klingt das bei Girls in Airports wenigstens gut. Sie liefern dazu einen Soundtrack, der nicht nur Grenzen öffnet, sondern sie vergessen macht.

Girls in Airports

Sa 28.10. 19 Uhr | Dortmund – Domicil | 0231 862 90 30

So 29.10. 20 Uhr | Münster – Pension Schmidt | 0251 97 95 70 50

Melanie Redlberger

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

Grenzenlos episch
Live gespielte Game-Soundtracks werden zum Megaevent – Popkultur in NRW 11/18

Odyssee im Ruhrgebiet
Weltoffene Konzerte umsonst und draußen – Popkultur in NRW 07/18

Tiefenentspannt in Duisburg
Traumzeit-Festival mit Mogwai, Slowdive und The Great Faults – Popkultur in NRW 06/18

Global denken, lokal tanzen
NRW Kultursekretariate fördern musikalischen Reichtum – Popkultur in NRW 04/18

Absichtlich schön
Giant Rooks: aus Hamm in den Indie-Pop-Olymp – Popkultur in NRW 02/18

Das Geld liegt auf der Straße
Musikmesse create & connect will dem Nachwuchs zu Erfolg verhelfen – Popkultur in NRW 11/17

Welches Obst bist du?
Süßes und Saures beim Juicy Beats Festival in Dortmund – Popkultur in NRW 07/17

Musikfestivals im Ruhrgebiet
Umsonst, draußen, für alle – Popkultur in NRW 06/17

Ein paar Takte Heimat
Tanz die 80er Jahre – Popkultur in NRW 05/17

Anatolischer Krautrock
Elektro Hafız auf dem Schwarzweissbunt-Festival – Popkultur in NRW 04/17

Dada für die Generation Y
Die Band Golf lädt an den „Playa Holz“ – Popkultur in NRW 03/17

Rap-Brachen
Antihelden Lemur und Prezident am Abgrund – Popkultur in NRW 02/17

Musik.

Hier erscheint die Aufforderung!