Hach ja, anfangs war das schönster Indierock: erst ein Basslauf, dann die Schrammelgitarre, eifrige Drums auf die zwölf, dazu jungenhaft quäkender Gesang, dann klotzt der Refrain nochmal richtig rein. Nach diesem Rezept strickten we are scientists die besten Songs für so Dinge wie Hand in Hand die Straße runterrennen, Kissenschlacht im Hotelzimmer und den Moment, wo du zur Party losfährst – die pure Feier des jugendlichen Überschwangs.
Seit 2000 gibt es die Band aus Brooklyn und mit ihrem ersten Überalbum namens „With Love and Squalor“ haben Keith Murray und Chris Kain solch großen Erfolg eingefahren, dass sie bis heute im eigenen Schatten stehen. Aber wenn die Jungs eines haben, dann Humor, und der hilft bekanntlich in allen Lebenslagen. Sei es, dass sie im Video zu ihrem ersten und größten Hit „Nobody Move, Nobody Get Hurt" von einem Menschen im Bärenkostüm verfolgt werden, sei es, dass sie bei einigen ihrer Konzerte als ihre eigene Vorband auftraten oder dass sie sich derzeit auf ihrer Website im Stil eines CIA-Berichts auf die „mögliche Bedrohung kultureller Normen“ hin untersuchen. Nicht zu Unrecht: Immerhin wurde ihre Musik im Soundtrack der US-amerikanischen Krimiserie „CSI: New York“ gefeatured, wie popkulturell relevant kann man noch werden?
Auf „Megaplex“, ihrem nunmehr sechsten Album, klingen sie erwachsener, mehr in Richtung Power-Pop, und das hat einen Grund: Das Album wurde produziert von Max Hart, der einige Jahre als Keyboarder für Katy Perry unterwegs war. „Our brilliant work in pop song writing is unsurpassed“, gibt Keith Murray an, und ja, irgendwie sind die Melodien eingängig und hooky, sind die Akkordauflösungen beatleesk, kommt das Ganze sehr geschmeidig rüber. Wohlfühlen heißt in diesem Fall, dass man in jedem Moment den kommenden Ton voraussagen kann. „In the past we’ve used our music to educate, to enlighten, to awaken people to the depth and complexity of moral concerns. This time, we really wanted to drop a fun-bomb. Something to dance or fuck to“, wird Chris Kain zitiert, und das ist nicht nur der typische scientists-Humor. Dieser keyboardgetriebene Elektro-Pop ist die Katy-Perryisierung des Indierocks, aber hey – eben auch die Befreiung aus dem Zwang, anspruchsvoll und klug sein zu müssen. Perfekt kalkulierte Leichtigkeit macht aus „Megaplex“ das Sommeralbum, von dem wir gar nicht wussten, dass wir drauf warten.
Live sind sie am 30. Mai im Gebäude 9 in Köln zu sehen, zu dessen rotzig-liebevollem Ambiente und postironisch in 80er-Jahre-Klamotten gewandetem Publikum die Band hervorragend passt. Come on, the night is young! Komödiantische Elemente spielen auf der Bühne eine große Rolle und versprechen eine unterhaltsame Show. Und wer das nicht ohne größere Erschütterungen übersteht, kann Hilfe finden – auf der Website der Band gibt es eine Kummerkastenabteilung, wo die Musiker seitenweise Ratschläge für ihre Fans erteilen.
We Are Scientists | Mi 30.5. 20 Uhr | Gebäude 9, Köln | 0221 28 01
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