Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 1
2 3 4 5 6 7 8

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Claire-Louise Bennett
Foto: Marc Walsh

Der Ernst der Sprache

30. Mai 2023

Claire-Louise Bennetts Roman „Kasse 19“ – Textwelten 06/23

Fünf Jahre sind vergangen, seit Claire-Louise Bennetts literarisches Debüt „Teich“ in Deutschland erschien. Seither werden ihre Texte, die aus einer Art autobiographischem Schreiben bestehen, in hymnischen Rezensionen gefeiert. In ihrer Prosaskizze „Teich“ erzählt sie von einer jungen Frau, die sich nach einigen beruflichen und persönlichen Enttäuschungen in ein einsames Bruchsteinhaus am Rande der irischen Grafschaft Galway zurückgezogen hat. Das Buch beschreibt das Leben in einem Zustand der Ereignislosigkeit, in dem das Alleinsein unweigerlich die Wahrnehmung schärft. Wie gelingt es, das zu beschreiben, was wir täglich erleben und erinnern, ohne dass sich dieses Material zu einer Story rundet? Eine Frage, die auch den Ton ihres neuen Buchs „Kasse 19“ bestimmt.

Der Titel spielt auf einen Job als Kassiererin in einem Supermarkt an, mit dem sich die Erzählerin ihre Studienzeit finanzierte. Dort steckt ihr ein schweigsamer Kunde eine Ausgabe von Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“ zu. Wortlos scheint der Mann verstanden zu haben, wer da hinter dem Band sitzt. Die Literatur stellt so etwas wie das Rückgrat der ansonsten prekären Existenz dieser jungen Frau dar, die sich, ihren Körper und die Welt zu verstehen versucht. Die Sprache bildet den Schlüssel dazu. Gleich das erste Kapitel – das Mädchen geht noch in der Arbeiterstadt im Westen Englands zur Schule – erzählt vom Umgang mit den Büchern und der Lust an den Worten. Alles wird verschlungen, neben der englischen, französischen oder deutschen Literatur sind es die klassischen Texte der Philosophie und des Feminismus, die dieses Frauenleben begleiten. 

Die Prosa der Claire-Louise Bennett wird von einem drängenden Rhythmusvorangetrieben.Sätze werden wiederholt oder bekräftigt. Wichtiger als die Bedeutung ist der Nachdruck, mit dem gesprochen wird. Bennett vermeidet absichtsvoll jede Doppelbödigkeit, auch Metaphern kommen kaum vor.IhreErzählerin bleibt bewusst an der Oberfläche. Alle Anstrengung ist auf die Wahrhaftigkeit ihres Erlebens gerichtet.Dahergibt es Korrekturen oder Einschübe, ganz so, als säße sie ihrer Leserschaft am Küchentisch gegenüber. Deshalb mag man mit dem Lesen auch gar nicht mehr aufhören.

Claire-Louise Bennett: Kasse 19 | Deutsch von Eva Bonné | Luchterhand | 304 Seiten | 22 €

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24

Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24

Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24

Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24

„Keine Angst vor einem Förderantrag!“
Gründungsmitglied André Patten über das zehnjährige Bestehen des Kölner Literaturvereins Land in Sicht – Interview 10/24

Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24

Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24

Wie geht Geld?
„Alles Money, oder was? – Von Aktien, Bitcoins und Zinsen“ von Christine Bortenlänger und Franz-Josef Leven – Vorlesung 09/24

Zerstörung eines Paradieses
„Wie ein wilder Gott“ von Gianfranco Calligarich – Literatur 09/24

Lektüre für alle Tage
Lydia Davis‘ Geschichtensammlung „Unsere Fremden“ – Textwelten 09/24

Reise durchs Eismeer
„Auf der Suche nach der geheimnisvollen Riesenqualle“ von Chloe Savage – Vorlesung 09/24

Schluss mit normativen Körperbildern
„Groß“ von Vashti Harrison – Vorlesung 08/24

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!