trailer: Herr Gloria, Bochum Total jährt sich 2010 zum 25. Mal. Was ist zum Jubiläum geplant?
Marcus Gloria: Das 25. Jubiläum ist das Jubiläum, und obwohl es ein Jubiläum ist, werden jetzt aber nicht die alten Leichen aus dem Keller gekramt und wir lassen deshalb Bands, die vor 24 oder 25 Jahren mal wichtig waren, auftreten. Das ersparen wir uns, den Bands und dem Publikum.
Was wird es auf dem diesjährigen Bochum Total an Neuheiten geben?
Bochum Total steht unter guten Vorzeichen, wir haben ein gutes Programm auf den Bühnen und auch auf den Bühnen drumherum wie in der Rotunde und auf der Wortschatzbühne, die sich sehr gut entwickelt. Darauf sind wir sehr stolz. Außerdem gibt es eine Menge Off-Stage-Geschichten, die außerhalb im Bermuda-Dreieck ablaufen. Außerdem sind wir dieses Jahr zum ersten Mal glasfrei. Das bedeutet weniger Müll und auch weniger Verletzungsgefahr.
Inwieweit ist das Festival Teil der Kulturhauptstadt RUHR.2010?
Bochum Total ist keine offizielle Kulturhauptstadt- Veranstaltung – aus Sicht der Kulturhauptstadt sind wir aber Teil des Kulturhauptstadtprogramms. Aus unserer Sicht ist das natürlich völlig anders. Wir sind die größte Veranstaltung dieser Art in Europa, und wir sind mit Abstand die größte Veranstaltung im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres. Von daher sehen wir uns schon als Kulturhauptstadt-Hauptprogramm, wir sind da schon ein wenig eingebunden. Es gibt ein paar internationale Künstler, die jetzt wegen des Festivals ins Ruhrgebiet gekommen sind, davon profitieren wir auch. Für uns ist Bochum Total aber eine Form, etwas an das Ruhrgebiet zurückzugeben.
Bochum Total war immer auch ein Forum für Nachwuchsbands. Gibt es einen jungen Act, den Sie ganz bewusst gebucht haben, weil Sie ihm eine große Zukunft zutrauen?
Wir haben dieses Jahr eine Zusammenarbeit mit Schooljam und sind einer der Spielorte dieses bundesdeutschen Wettbewerbs. Zufälligerweise ist einer der Finalisten die Bochumer Band Unprepared, die damit gleich in doppelter Funktion auftritt. Und natürlich gibt es auf der Livebühne einige Bands wie die Toasters oder Madsen, die nächstes Jahr vielleicht dann schon so bekannt sind, dass sie bei Bochum Total nicht mehr spielen würden. Auch auf der Wortschatzbühne haben wir einige Highlights, wie z. B. Oliver Uschmann, der auf dem Weg ist, einer der bekanntesten deutschen Nachwuchsautoren zu werden. Dort tritt auch Uli Engelbrecht auf, der damals für die WAZ gearbeitet und den ersten richtig geilen Artikel über Bochum Total geschrieben hat. Jetzt liest er aus seinem eigenen Buch.
Stichwort Nachwuchsförderung – wie würden Sie denn die Situation für Nachwuchsbands im Ruhrgebiet einschätzen?
Es ist insgesamt für den Nachwuchs schon schwer, besonders weil es wenige Veranstaltungsorte gibt, an denen junge Bands auftreten können. Außerdem stehen sie in einer großen Konkurrenz zu einer Menge anderer Bands. Trotzdem ist es insgesamt schwierig, aber das war schon immer so. Das ist das Wesen von Popmusik. Man muss sich halt den Arsch abspielen, um an die Sonne zu kommen. Viele machen das über Jahre und kommen trotzdem nicht weiter, während nur wenigen der große Wurf gelingt. Aber wenn man das nicht will, kann man ja zum Finanzamt gehen oder in der Bücherei arbeiten.
Im Ruhrgebiet gibt es viele Festivals. Gibt es denn Kontakt zwischen Bochum Total und den anderen Veranstaltern?
Ja. Natürlich. Wir tauschen uns mit Festivals wie dem Zeltfestival, dem Werdener Pfingst Open Air oder dem Juicy Beats aus und haben ja auch gemeinsam unter anderem deswegen die Ruhr Music Commission (RMC) gegründet. So gibt es eine Möglichkeit, sich z. B. über Rechtsprobleme auszutauschen und gemeinsam Forderungen an die Politik zu stellen. Da muss es Änderungen geben, damit sich dieses Feld – wenn schon nicht subventioniert – dann doch wenigstens ungestört entwickeln kann. Und bei Bochum Total wird das Programm am Samstag in der Rotunde von ROOF-Musik gestaltet, mit denen wir auch in der RMC zusammenarbeiten.
Welche Wünsche und Pläne haben Sie für die Zukunft des Festivals?
Ich hätte nicht mal gedacht, dass wir bis zum 25. Bochum Total durchhalten. Von daher bin ich hoffnungsfroh, dass es weiter geht. Viele Dinge – wie die Wortschatzbühne – sind nach einer Testphase fester Bestandteil des Programms. Aber es wäre schön, wenn sich das auch niederschlagen würde. Wir sind als ‘gewerblicher’ Veranstalter den ganzen Tag damit beschäftigt, die Grundfinanzierung zu sichern, so dass für Dinge wie Werbung oder auch Bühnendekoration fast kein Budget da ist. Da könnten wir ein wenig Unterstützung gut gebrauchen. Wir hoffen, dass es uns durch die Lobbyarbeit gelingt, mit dem Rock- und Pop-Bereich endlich einmal aus der ‘Schmuddelecke’ rauszukommen. Dafür muss es aber endlich einmal den Generationswechsel bei denen geben, die im Moment noch über die Vergabe von Fördertöpfen entscheiden. Unser Kulturbetrieb findet größtenteils für eine alternde Zielgruppe und unter Ausschluss einer breiten Öffentlichkeit statt. Es gibt kein Pendant zur Förderung von Schauspielhäusern für unseren Kulturbereich, der eine wesentlich größere Publikumszahl anspricht und vom Ergebnis her auch erfolgreicher ist. Ein Besucher von Bochum Total gibt im Schnitt 45-50 Euro in der Stadt aus, aber wir investieren nur etwa 25 Cent pro Besucher. Bei der Ruhrtriennale dagegen wird jeder Besucher mit 350 Euro bezuschusst. Wenn man dort auf ein ähnliches Verhältnis wie bei Bochum Total kommen wollte, müssten die Leute nach oder vor dem Theaterbesuch schon ein Auto kaufen.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Auf welchen Auftritt freuen Sie sich besonders?
Oh je, das ist keine gute Frage. Aber ich will sie trotzdem beantworten. Ich freue mich auf Toni Mahoni, auf Madsen. Ich freue mich auf Sebastian Sturm und auf zwei kleine Bands, die ich erst neulich kennengelernt habe: BxDxF und besonders Last Exit. Die haben letztens den Boulevard unglaublich gerockt.
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