Das Motto „Übung macht den Meister“ lag schon zu Beethovens Zeiten allen Schülern, Handwerkern und Künstlern in den Ohren. Musste Beethoven in Kinderjahren vermutlich noch zum Fleiß angehalten werden, entwickelte er doch früh den Ehrgeiz, es zu etwas zu bringen, und wurde ermutigt von Zuhörern und Künstlern aus seinem Umkreis oder auf der Durchreise. Bereits als Klavierspieler anerkannt, der dann und wann kleine Lehrstücke verfasste, wandte er sich zunehmend der Komposition zu, wobei er schon in Bonn unter dem Einfluss der damaligen Musikmetropole Wien stand, wohin er unter wohltätiger Förderung mit 24 Jahren umsiedelte. Was er dort lernte und wie, ist nun Gegenstand der von Musikwissenschaftlerin Julia Ronge arrangierten, einen Raum umfassenden Sonderausstellung „Auf der Suche nach der Kunst der Fuge“ des Beethoven-Hauses. Anlass gibt der Abschluss einer jahrelangen Aufarbeitung der Kompositionsstudien des Meisters, die als neuer Teil der Gesamtausgabe erscheinen.
Die großen Namen im Zusammenhang mit Beethovens Lehrzeit sind – zumal Mozart vor seiner Ankunft starb – Haydn, Albrechtsberger und Salieri. Der Mythos will den Musikstudenten gleich als Genie und souveränen Revoluzzer sehen, der nur hier und da einen Fingerzeig brauchte und sich ansonsten weder gern belehren ließ, noch sich an Theorien festklammerte, die seine Einbildungskraft hemmten. Dem Bonner Projekt gelingt es nun, diese Vorstellung zurechtzurücken und etwas vom hinter dem Genie stehenden Menschen mitzuteilen, der fleißig auf seinen Begabungen aufbaute und seine Defizite kannte. Julia Ronge: „Die Quellen bezeugen seinen großen Eifer, seinen Fleiß und sein Engagement bei der Bewältigung der ihm gestellten Aufgaben.“ So war sein Verhältnis zu Johann Georg Albrechtsberger zunächst von der Demut des Schülers geprägt, der beim Einreichen seiner „Hausaufgaben“ auf Nachsicht hoffte.
Die drei genannten Lehrer können alle als in gutem Verhältnis zu Beethoven stehend angesehen werden. Für angeblich mangelnden Respekt für Haydn als Person oder Künstler etwa konnte Ronge in den vielen Papieren keinerlei überzeugende Anhaltpunkte finden. Besonders Albrechtsbergers Einfluss auf Beethovens Techniken lässt sich an Dokumenten gut nachweisen, zumal er anders als Haydn dem Jungkomponisten viele nützliche Notizen an die Ränder seiner Notenblätter schrieb. Beethoven verwahrte sie ebenso wie Albrechtsbergers Lehrbuch „Gründliche Anweisung zur Composition“, das er Nachwuchstalenten wärmstens empfehlen konnte und an dessen Tabellen und Formulierungen der sprachlich Unbegabte festhielt, wenn er selbst Unterricht erteilte.
Beethovens der Aneignung dienende, krakelige Abschriften aus dem Buch sind auch noch zu Zeiten nachweisbar, als Beethoven längst anerkannt und berühmt war, aber doch noch mehrfach zur Fugenlehre zurückkehrte. Ronge vermutet, dass es seine um 1816 einsetzende Taubheit war, die ihn dazu nötigte, per Musiktheorie zu prüfen, ob es in seinen in Arbeit befindlichen Werken noch mit rechten Dingen zuging. Man muss kein Musikhistoriker sein, um die sinnvoll angeordneten handschriftlichen Dokumente in ihrer jeweiligen Bedeutung zu erfassen, die sicherlich in unser Gesamtverständnis des Künstlers und in unsere Wertschätzung seiner späteren Werke einfließen werden.
„Auf der Suche nach der Kunst der Fuge“ | bis 14.12. | Beethoven-Haus in Bonn | 0228 981 75 25
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