F.S.K. – über 30 Jahre, zwölf LPs, diverse EPs und Singles: Die Band um Thomas Meinecke und Michaela Melián ist eine Institution und ausdauerndster Repräsentant bzw. eigentlich Vorbild für den Diskurspop. Die Münchener verbinden immer noch ihren charmant-sperrigen Sound mit ebenso charmant-sperrigen Betrachtungen zu Politik und Popkultur. „Akt, eine Treppe herabsteigend“ heißt das Album nach Duchamp, und das Cover zeigt natürlich weder Akt noch steigend (Buback). Das Duo AU aus Portland macht experimentellen Pop. Auf dem dritten Album ist wieder der schwelgerische Gesang zu finden, der über den nervösen, komplexen Songs liegt, die zunächst wie ein wildes Potpourri aus unterschiedlichsten Instrumenten und Stilen wirken, bei wiederholtem Hören aber ähnlich wie bei Animal Collective immer mehr ihre innere Logik offenbaren (Leaf). Popmusik aus Israel weht nur selten bis hierhin. Mir fallen spontan nur die Klezmer-Surf-Rocker Boom Pam ein. Umlala ist nun state-of-the-art Indierock mit Electro-Anteilen. Mit obligatorischen New Wave-Anleihen, aber auch vielen überraschenden Einfällen und klasse Gitarrenläufen ist ihr kraftvolles Debüt „Stand Go Show Shout“ gewürzt (Snowhite). Aus Frankreich kommen gleich zwei interessante Neuerscheinungen: DonNiño spielt bei den auch hier schon bekannteren NLF3. „In the Backyard of my Mind“ ist sein ruhigeres, leichteres, luftigeres und angenehm verspieltes Solodebüt (Infine). Astrïd ist ein Quartett aus Südfrankreich und entfaltet auf „High Blues“ lange, getragene, archaisch klingende Soundscapes mit Akustikgitarre und Jazzelementen (rune grammofon). Cakewalk ist ein neues norwegisches Trio, das auf seinem Debüt „Wired“ fließende Improvisationen zwischen Krautrock und verzerrtem Noiserock entwirft, die so organisch wirken, dass man sich in ihrem Fluss entweder auflösen oder – je nach Grad der Verzerrung – aufreiben möchte (Hubro). Art Rock im Stile der Canterbury-Szene der 70er Jahre machen VolcanotheBear. Seit 15 Jahren und unzähligen Veröffentlichungen halten sie den Sound von Bands wie Henry Cow, Art Bears oder auch This Heat hoch, soll heißen: neue Musik im Kopf, Jazz in der Hüfte und Rock in den Beinen (rune grammofon).
Auf seinem 13. Album „Ufabulum“ hat Squarepusher für alle Stücke gleich eine Lichtkomposition für die Liveshow mit konzipiert. Sein Breakcore stolpert weiterhin mit haarsträubender Geschwindigkeit und gefährlichen Verrenkungen von Romantik über Suspense zu metallischer Action (Warp). Das Kölner Label BoxerRecordsfeiert sein zehnjähriges Bestehen mit einer Compilation. Pragmatisch „10 Years of Boxer“ betitelt, ist der Inhalt aber doch etwas überraschender: Hier findet man nicht nur die üblichen Nuancen zwischen House und Techno, sondern auch schleppenden Funk von VonSpar, einen Hawaiigitarren-Groove von tOMBo, taumelnden Disco von LeDustSucker oder den Stolperfunk von RobagWhrume. Eine schöne Geburtstagsfeier!
FelaKuti, der Erfinder des Afro Beat, war eine zwiespältige Persönlichkeit. Einerseits mutiger Kämpfer für die Rechte der Schwarzen und Antikolonialist, waren viele seiner Äußerungen sexistisch und homophob. Seine Musik hingegen war berauschend. Das belegt die Doppel-CD „Live in Detroit“, die auf 140 Minuten das Konzert von 1986 veröffentlicht. Nur vier sehr lange Stücke präsentieren eine bestens aufgelegte Band, die aus dem Konzert eine beseelte Party macht (Strut).
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