Er ist der absolute Shootingstar der Klassik-Szene: Wer den südafrikanischen Cellisten, Sänger, Komponisten und Alleinunterhalter Abel Selaocoe einmal live erleben durfte, der ist infiziert von solcher Spielfreude und explodierender Energie. Und von der reinen Kraft einer unbändigen musikalischen Mitteilsamkeit.
Selaocoe hat viel zu erzählen, auch in Tönen. In Köln, das ihn just mit einer ganzen Reihe von Konzerten porträtiert, stellt er mit dem ausgesprochen originellen britischen Aurora Orchestra und dessen Gründer Nicholas Collon sein eigenes Cellokonzert „Four Spirits“ vor. Hier übersetzt er Geschichten aus einem „Township“ (abseits eines westlich geprägten Stadtkerns errichtete Siedlung in Südafrika), wie er es selbst als Knabe erlebt hat und schätzen lernte. So geht es um traditionelle Heiler, selbst Heilige in einer auf Traditionen vertrauenden Gemeinde, die eine Brücke schlagen von der modernen Gesellschaft zurück auf althergebrachte Weisheiten und Werte. Oder um die Power und die große Inspiration, die von den kommenden Generationen ausgehen könnte. Und natürlich um die Gemeinschaft und Solidarität, die er gleich vor Ort mit dem Publikum in einem Segensspruch feiert und damit, in Selaocoes Worten, „einen kraftvollen und inspirierenden Raum der Einheit und des Ziels“ kreiert.
Hier spielt der Solist nicht nur Cello, er stimmt auch Gesänge an und korrespondiert mit vielen rhythmischen Reizen. Zum Festkonzert zur Verleihung des Opus Klassik, für Selaocoe maßgeschneidert in der Kategorie „Klassik ohne Grenzen“, riss er mit dieser herzhaften Mischung die Hörer von den Sitzen. Ebenso überraschend und unangepasst gibt sich auch das Orchester aus London, das Beethovens Sinfonien ohne Noten und Pulte sehr flexibel choreographiert interpretiert – ein ganz neues Konzerterleben.
Und auch das Konzertformat beschreitet neue Wege und reist musikalisch „in einer Stunde um die Welt“. Auf 60 Minuten ist das Programm begrenzt und beginnt um 19 Uhr – der möglicherweise folgende Abend steht noch offen. Die Preise sind auch angepasst, nur die stadtplanerisch extrem verlängerte An- bzw. Abreise bleibt gleich. Ob sich besonders für Interessierte aus dem Umland ein solcher Kurzbesuch rechnet, bleibt jedem persönlich überlassen. Einen Versuch ist es wert.
Abel Selaocoe & Aurora Orchestra | Mi 5.3. 19 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 28 02 80
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