Dass im Sommer nix los ist mit der Live-Musik, das sind Nachrichten von gestern. Alle Welt lockt mit Summer-Specials die Daheimgebliebenen, die durch Häuslichkeit eingesparten Euroscheine für kleine Festivals mit anerkannten Größen locker zu machen. Besonders gefragt sind in diesem Sommerzirkus – wie schon im restlichen Jahr – die alten Säcke der Rock-Pop-Jazz-Unterhaltungsszene: Da werden Erinnerungen wach, da wird der Musikfreund selbst wieder jung, gäähn, gäähn, gäähn.
Es gibt aber auch eine andere Art, sich kulturell zu erbauen – was jeder Landarzt rät –, und zwar mit frischer und unverbrauchter und trotzdem dem Jazzfan vertrauter Musik. Und das noch zu ganz kleinen Preisen bis umsonst. Jeder hat davon gehört, doch nur wenige gehen hin. Denn was nichts kostet, ist auch nichts. Aber wahrlich, ich beteuere: Dem ist nicht so!
Ich spreche von den Abenden mit jungen Musikern, mit talentierten Laien, mit Studenten der Konservatorien und Musikhochschulen. Heute herrscht in Jungjazzerkreisen wie bei den unglaublich geforderten Klassikvirtuosen ein dermaßen hochgeschraubtes Niveau, dass eigentlich jeder, der die Aufnahmeprüfung schaffen will, auch schon über eine gewisse Bühnenreife verfügen muss. Zahllos sind die Konzertereignisse, die in der Semesterzeit beinahe täglich angeboten werden, Vorspiele und Examenskonzerte usw. Wer auf den kalten Glanz von Kammermusiksälen und Probenzimmern verzichten kann, der findet mein Verständnis. Aber es gibt in vielen Jazzclubs und an verschiedenen engagierten Bühnen feste Reihen an festen Abenden, an denen sogenannte Sessions stattfinden. Diese lassen sich ganz leicht in Stadtmagazinen oder Tageskulturtipps ausmachen, oft heißen die Termine Jazzkonzert mit anschließender Session. Und die sind absolut nicht nur für die Spieler, sondern natürlich auch für Zuhörer gedacht. Das Publikum und der Applaus sind ja meist auch die Abendgage der Musiker. Aber da ja die Jazzmusiker wirklich heiß sind auf ihre Musik und die Möglichkeiten rar sind, freiwilligen Hörern völlig ohne Druck und Risiko ein fettes Solo in die Ohren zu blasen, treten hier wirklich beachtliche Talente an.
Zwei niveauvolle Clubs seien hier aufgeführt, die auch im August ihren Sessionabend durchhalten – es gibt sicher zahllose andere in NRW: Das domicil in Dortmund lädt am Montag bei freiem Eintritt in den schicken Konzertsaal, da ist natürlich reichlich Platz. Richtig gemütlich ist es am Dienstag im ARTheater in Köln. Hier nennt sich die Reihe jazz-o-rama, junge und erfahrene Jazzmusiker treten hier gemeinsam auf, und zur Session mit den handelsüblichen Standards aus dem berühmten Real Book, dem Alten Testament des Weltjazz, erscheinen auch gestandene ältere Herren. Basis der Band sollte ein Trio sein, die Grundbesetzung, denn wenn kein Bass oder kein Bassist im Club ist, klingt es nur halb so gut. Wenn aber wie just im ARTheater am Klavier der Pianist Pablo Held Platz nimmt, einer der höchstgelobten jungen Hoffnungsträger des deutschen Jazz, ein origineller Virtuose aus Hagen, der trotz seiner erst 22 Jahre viele Festivals bespielt und die meisten Clubs kennt, dann ist das ein Glücksfall für die Mitmusiker und besonders für die Gäste. Das lässt sich natürlich nur erleben, wenn man hingeht. Also…
www.domicil-dortmund.de I www.artheater.info
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