Zwischen den Völkern herrscht Krieg. Innerhalb der Familie auch, denn es geht um Macht. Dreh- und Angelpunkt ist ein mächtiger König, Nabucco, Titelgestalt von Giuseppe Verdis Oper. Das historische Vorbild, Nebukadnezar II., führt Babylon auf einen Gipfel seines politischen Einflusses im Nahen Osten: Er okkupiert 597 vor Christus Jerusalem, zerschlägt den Staat des alten Israel und führt die Oberschicht ins Exil der babylonischen Gefangenschaft. In Verdis Musikdrama singen die Hebräer dort vom Gedanken, der auf goldenen Flügeln in die verlorene Heimat, zu den Ufern des Jordan und den zerfallenen Zinnen Zions schweift. Der Chor „Va, pensiero“ wurde schon bei der Uraufführung 1842 zum Hit und wird noch heute von nicht wenigen Italienern als heimliche Nationalhymne ihres Landes empfunden.
„Nabucco“, in der Nazizeit unerwünscht, ist ungeachtet der effektsicheren, aber oft noch brachialen Musik des jungen Verdi ins Opernrepertoire zurückgekehrt. In Düsseldorf hat im September die italienische Regie-Newcomerin Ilaria Lanzino eine ihrer mutigen Deutungen auf die Bühne gebracht: „Nabucco“ als Utopie eines Freiheits- und Friedenswillens über die Grenzen der Kriegsparteien hinweg. Jetzt zieht die Oper Köln mit einer spannenden Besetzung nach: Ben Baur, am Rhein bereits als Bühnenbildner bekannt, stellt sich als Regisseur vor. Am Pult des Gürzenich-Orchesters soll Sesto Quatrini für das nötige italienische Flair sorgen. Der Römer, bis 2023 Künstlerischer Leiter der Nationaloper im litauischen Vilnius, hat sich zum Beispiel mit Gioachino Rossinis „Otello“ in Frankfurt als sensibler Gestalter von Belcanto-Musik erwiesen.
Für die Hauptrolle von Nabuccos machthungriger und intriganter Tochter Abigaille hat die Oper Köln mit Marta Torbidoni eine führende Sängerin des dramatischen Koloraturfachs gewonnen: Die Italienerin ist an großen Opernhäusern ihrer Heimat als Aida, Anna Bolena oder Norma aufgetreten, hat in Parma mit Verdis Odabella („Attila“) eine der wohl schwierigsten Partien ihres Fachs gestaltet und glänzte am Aalto-Theater Essen als Lucrezia Borgia in Gaetano Donizettis gleichnamiger Oper. An vielen italienischen Opernhäusern, u.a. am berühmten San Carlo in Neapel, hat auch der Sänger der Titelpartie Ernesto Petti gesungen. Beste Voraussetzungen also für einen packenden Opernabend.
Nabucco | 1. (P), 5., 7., 11., 13., 18., 21., 23., 26., 28., 30.12., 3., 5., 9., 12.1. | Oper Köln | 0221 22 12 84 00
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