Es war der Abend der breiten Gitarren-/Bass-Hälse, als „Animals as Leaders“ und die regionale Vorband „Forces at Work“ am 23. April in der Bochumer Matrix spielten. Bereits im vergangenen Jahr hatte Gitarrist Tosin Abasi mit der instrumentalen Fusion-Progressive-Metal-Band „Animals as Leaders“ die Matrix mit seinem Spiel begeistert. Doch nach Veröffentlichung des zweiten Albums „Weightless“ im November war die diesjährige Tour offensichtlich größer und aufwändiger angelegt. Stand das Publikum im Sommer 2011 noch dichtgedrängt vor der kleinen Bühne der Matrix, sammelte es sich nun vor der großen Bühne. Und es sammelte sich zuhauf, denn trotz des Montagstermins zogen Fans unterschiedlicher Couleur nach Bochum, um einer der technisch anspruchsvollsten Bands auf die Finger zu schauen und ihren komplexen und vielseitigen Sound zu hören. Von Langhaarigen mit „Cliteater“-Shirts bis zu Kurzhaarigen mit „Exivious“-Shirts und vielem dazwischen war alles dabei. Lediglich der weibliche Anteil des Publikums war erstaunlich gering, auch wenn ein Konzertgänger den Anstieg von zwei Frauen beim letzten Konzert auf etwa nun 15 Frauen mit Erstaunen quittierte. Nebenbei: Auch „Rage“-Gitarrist Victor Smolski, der dem breiten Publikum wohl durch die Vertretung NRWs beim Bundesvision-Songcontest bekannt ist, hatte sich zu diesem Musik-Event eingefunden.
Zunächst eröffnete die fünfköpfige Band „Forces at Work“ den Abend, die im Moment den Release ihres ersten längeren Albums „Straight“ feiert. Dass ein Release höchste Zeit und berechtigterweise erwünscht war, bewiesen die Westfalen mit ihrem halbstündigen Auftritt. Nachdem sie ihre sieben-saitigen Gitarren und sechs-saitigen Bass ausgepackt hatten, ging es umgehend mit einer „Ballade“ los. Es folgten vertrackte Melodien, dann wieder eher brachialere Riffs und energisch-aggressiver Gesang des glatzköpfigen Muskelpakets Basti. Dies alles lässt hoffen, dass sich eine weitere technische Metal-Band hierzulande etablieren wird. „Forces at Work“ waren eine sympathische und würdige Vorband für „Animals as Leaders“ und stießen beim Publikum auf Anklang, auch wenn der Bewegungsdrang des Sängers sich kaum auf dieses übertrug. Aber das hat bei Konzerten dieser Art nichts zu sagen.
Als Tosin Abasi dann lässig die Bühne betrat, applaudierte das Publikum, ohne dass dieser auch nur einen Ton gespielt hatte. Töne ließen dann aber nicht mehr lange auf sich warten. Und diese kamen für das an eingängige Melodien gewöhnte Ohr überraschend mit dem ersten Song „Wave of Babies“. An Gitarren-Saiten legten Tosin Abasi und Kollege Javier Reyes im Vergleich zur Vorband gleich noch eins drauf. Bei einem derartigen Tonumfang erübrigt sich dann für „Animals as Leaders“ auch die Frage nach einem Bassisten. Es war einfach unglaublich, welche Töne und Melodien Tosin Abasi seiner Ibanez entlocken konnte, mit einer Technik und Spielweise, die das gesamte Publikum erstaunte und einen Zuschauer zu dem Kommentar verleitete: „Die können doch nichts anderes machen, als den ganzen Tag im Keller zu sitzen und zu spielen!“ Auf wenigen Konzerten wird so gebannt auf die Finger der Musiker gestarrt, wie es an diesem Montag in der Matrix der Fall war. Aber nicht nur das Fingerspiel war ein visuelles Erlebnis, sondern die gesamte Bühnenshow. Die leicht psychedelische Videoshow, die projiziert wurde, unterstrich den Charakter des musikalischen Erlebens. Als die Videoshow nach einem Song kurz aussetzte und nur der Desktop eines Apples groß und breit zu sehen war, reagierte Abasi gelassen: „Anyone, who wants to check emails? Facebook?“ Sehr sympathisch, dass ein Perfektionist wie Abasi unperfekte Situationen mit Humor statt mit verkrampfter Hektik nimmt. Generell hatte Abasi die Ruhe weg. Er spielte völlig unaufgeregt, fühlte jedoch immer seine Musik mit. Es lohnte sich, nicht nur auf die Finger zu schauen, sondern auch einen Blick auf sein Gesicht zu werfen. Als am Ende des Konzerts Zugabe gefordert wurde, erschienen die beiden Gitarristen und der Drummer, dessen Leistung hier nicht unerwähnt bleiben sollte, noch einmal, und Tosin Abasi setzte mit den trockenen Worten „We’re prepared for such situations“ mit dem titelgebenden Song des neuen Albums „Weightless“ an. Insgesamt ein musikalisch hochprofessioneller Abend, dem es aber auch an Emotionalität nicht mangelte.
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