Die Hexen in Giuseppe Verdis „Macbeth“ prophezeien neutral. Es hätte also auch gut ausgehen können: Der alte König Duncan wäre irgendwann gestorben, der verdiente Feldherr Macbeth zum Nachfolger ausgerufen worden, der Sohn seines bewährten Kampfgefährten Banco hätte nach Macbeths friedlichem Alterstod in die Königswürde eingetreten können. Der Gedanke an die blutige Tat zur Beschleunigung des Verfahrens stammt nicht von den Hexen, sondern aus dem Urgrund der Seele von Macbeth. Angestachelt durch seine so skrupellose wie ehrgeizige Frau beginnt das Morden, das erst der „Wald von Birnam“ beendet – und ein Kämpfer, der nicht geboren, sondern aus dem Leib seiner Mutter herausgeschnitten wurde.
Spekulation ist das. Die fiktive Handlung bei Shakespeare und bei Giuseppe Verdi sieht dagegen düster – und realistischer – aus. Eine nachtschwarze Tragödie, Geister und Hexen, Blut und Wahnsinn. „Eine der großartigsten menschlichen Schöpfungen“ schwärmt Verdi von der Tragödie um den schottischen König. Der 1847 in Florenz uraufgeführte „Macbeth“ ist Verdis zehnte Oper und markiert entscheidende Schritte: Die Gesangspartien erweitern den Belcanto zu einem psychologischen Realismus, der seelische Abgründe öffnet, „in die das Wort nicht abzutauchen vermag“ (Werner Oehlmann). Die Disposition der Tonarten und die aus dem Drama und den Charakteren motivierte Instrumentierung geben dem Orchester eine gewichtige Rolle jenseits bloßer Begleitung.
Eine Herausforderung also für den neuen Essener Generalmusikdirektor Andrea Sanguineti, der bei der Neuproduktion am Pult der Essener Philharmoniker stehen wird. Eine Herausforderung auch für Regisseurin Emily Hehl, die aus den performativen Künsten kommt und – auch durch die Beteiligung von Tänzerinnen des Aalto-Balletts – andere Akzente setzen wird als etwa Michael Thalheimer, dem in der vorletzten Spielzeit in Düsseldorf mit Verdis „Macbeth“ ein bedrückendes Nachtstück gelang. Und eine Bewährungsprobe für das neue Ensemblemitglied am Aalto, die Armenierin Astghik Khanamiryan, die seit einigen Jahren in das dramatische Fach hineinwächst. Sie ist als Lady Macbeth an der Seite von Massimo Cavaletti zu hören, der von New York bis Wien große Verdi-Partien singt, aber in Essen als Macbeth debütieren wird.
Macbeth | 3. (P), 16., 20., 29.9. u.w.T. | Aalto-Theater Essen | 0201 81 22 200
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