Die ganze Welt will so Fußball spielen wie Deutschland, weil das erfolgreich ist. Ein Geheimnis des Erfolgs gibt es nicht, denn alle sind sich einig, dass die Nachwuchsarbeit der Schlüssel zum WM-Titel war. Auch NRW beneidet man in den anderen Bundesländern um seine Spitzenstellung im Tanzbereich. Künstlerische Fülle und ästhetische Qualität zeichnen die Region um Rhein und Ruhr aus. Allerdings muss man sich fragen, wie lange dieser Zustand noch anhalten wird, denn Erfolg kann hierzulande auf fatale Weise auch zur Stilllegung führen.
Eben noch zeigt die neu gegründete TanzFaktur die Ergebnisse ihres ersten Residenz-Programms „In Progress“, das – vielleicht ein wenig zu ehrgeizig angekündigt – als Nachfolger der legendären Sommerakademie des Tanzes in Köln vorgesehen ist. Sechs Produktionen werden gezeigt, die über einen Monat in der Residenz in Poll entstanden. Drei müssen sich in Zukunft noch beweisen, zwei sind auf einem vielversprechenden Weg und das Duo Maija Hirvonen und Markus Tomczyk besitzt mit der Choreographie „Zweinsamkeit“ schon das Zeug für die große Bühne. „In Progress“ erweist sich als interessantes Projekt, aber wird es fortgesetzt werden können? Denn wie aberwitzig die Förderkriterien in NRW angelegt sind, bekam jetzt das Residenz-Programm von der anderen Seite des Rheins zu spüren.
Movement and Art Development, kurz MAD genannt, startete vor vier Jahren im Areal von Barnes Crossing mit einer Ausschreibung für Nachwuchstänzer. Jedes Projekt wird von Profis betreut. Angefangen vom Konzept bis zur Präsentation und der Aufzeichnung der Choreographie bieten Barbara Fuchs und Sonia Franken den jungen Tänzern ihre helfende Hand. Fulminante Arbeitsergebnisse etwa von Marion Dieterle oder Sylvana Seddig lockten die Szene in die Wachsfabrik. Inzwischen bewerben sich 30 Produktionen aus dem gesamten Bundesgebiet um diesen künstlerischen Feinschliff. Nur wird MAD jetzt gekappt. Strukturelle Förderung ist in NRW nicht vorgesehen, weder in der Konzeptionsförderung der arrivierten Choreographen noch im Bereich der Spitzenförderung. Die gibt es zwei Jahre für 30.000 Euro, dann erhält ein Ensemble, wenn es Glück hat, noch einmal die Hälfte, danach müssen die Truppen sehen, wie sie weiterkommen.
MAD ist nach vier Jahren nicht mehr „neu“ und „innovativ“, also besitzt das Modell keine Berechtigung mehr für Zuschüsse. „Ein unterstütztes Projekt darf keine institutionelle Form annehmen“, erklärt Barbara Fuchs. So bestimmt eine absurde Kurzatmigkeit den Einsatz der öffentlichen Hand in Städten und Land. Man blickt nicht auf Erfolge, sondern fordert neue Ideen, obwohl die sich dann schon bewährt haben. Auch eine Art, das Geld herauszuschmeißen. Das Gesäte wird als Ernte verschmäht, weil man von der illusorischen Vorstellung ausgeht, dass nach vier Jahren Anschubfinanzierung das Kind nun selbst gehen kann. Ein Modell, das nur funktionieren könnte, wenn das Publikum für jede Eintrittskarte 150 Euro berappen würde. Aber so funktioniert Kultur nicht, schließlich ist sie kein Nebengleis der Unterhaltungsindustrie. Die Vorstellung, dass Kultur sich selbst finanziert, scheint sich leider aus den Köpfen der Entscheidungsträger in Verwaltung und Politik noch nicht verabschiedet zu haben. Dem Nachwuchs werden also auch in Zukunft nur vereinzelte Strohfeuer zuteil werden. Etwas wirklich Großes vermag sich aus diesem zaudernden Engagement jedenfalls nicht zu entwickeln, aber vielleicht traut man sich ja auch nicht mehr als klein gebackene Brötchen zu.
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