2010 sollte Karlheinz Stockhausens Lebenswerk „Woche aus Licht“ von der Kulturstadt „Ruhrgebiet“ erstmals im Zusammenhang aufgeführt werden. Davon ist schon lange nicht mehr viel zu hören. Der Meister selbst hat sich vor einigen Wochen zum ewigen Licht begeben. Das Schweigen im Lande hat natürlich seinen guten Grund. Die Neue Musik und besonders das Neue Musiktheater stellen oft ungeheuerliche Ansprüche, bewegen sich in gigantischen Dimensionen – bei Stockhausen komplette sieben große Opern, da wird der „Ring“ zum Freundschaftsreif – und locken dann nur ein paar schwarz gewandete Intellektuelle von ihren schwedischen Holzöfen weg. Das Geschäft mit der Neuen Musik gleicht einem steilen und dornigen Weg, und er muss doch begangen werden. Wer sich in die Neue oder Zeitgenössische oder Gegenwarts-Musik als Hörer verstricken lässt, geht ein Abenteuer ein. Die Reise in Neue Klänge fällt selten so leicht wie in NRW – im April hagelt es Angebote, auf einen Schlag einen echten Überblick über das Jetzt in der Musik zu gewinnen. Mehr als 20 Ur- bzw. Erstaufführungen bietet allein die 40. Ausgabe der „Wittener Tage für neue Kammermusik“ (25.- 27.4.), ein wichtiges Festival, schon wegen des langen Atems, den der WDR den Musiktagen einhaucht – rund 500 Uraufführungen seit 1969, meist Aufträge des Senders. Und eine weitere Eigenheit der Neuen Musik sichert der Sender ab: Die jungen und auch die älteren Komponisten fordern von den Interpreten Spieltechniken, die nur eingeschworene Spezialensembles bieten können. Die Neue Musik – von Komponisten wie Rebecca Saunders, Jay Schwartz bis zu Ikonen wie York Höller oder Wolfgang Rihm – benötigt die besten Interpreten. In Witten gastieren das Arditti String Quartet, das Klangforum Wien oder das ensemble recherche, als Solisten der Klarinettist und Komponist Jörg Widmann, der Counter Kai Wessel oder die Blockflötendiva Dorothee Oberlinger. Um die Musiktage werden Probenbesuche, Vorträge und Gespräche gruppiert, wer nach Witten fährt, darf neugierig sein. Ebenso in Essen. Ein ganz toller Erzähler zur Neuen Musik ist der Münchener Pianist Siegfried Mauser, der in Essens Philharmonie einige Abende mit der Musik von Pascal Dusapin vorstellt, einem Universalkünstler, dessen Faust-Oper konzertant geboten wird. In Essen erfolgt auch die Erstaufführung des Posaunenkonzerts von Christian Muthspiel, der selbst als Solist agiert und an die deutsche Legende Albert Mangelsdorff erinnert. Für das Werk „Balancen“ der angesagten Komponistin Isabell Mundry hat die Kölner Philharmonie die Staatskapelle Dresden, „Wagners Wunderharfe“, eingeladen (7.4.), ein Uraufführungsorchester mit großer Tradition. Die berühmten Bamberger schweben zu einer Zeitinsel für den Klassiker der Moderne György Ligeti in Dortmund ein. Sie spielen das „Poème Symphonique“, ein sehr aufwendiges und deshalb selten zu hörendes Werk: Hier ticken 100 Metronome, einhundert Geiseln der jungen werdenden Musiker, die hier selbst in die Musik verhaftet werden. Ganz schön spannend!
Infos unter: www.philharmonie-essen.de, www.koelner-philharmonie.de
www.wittenertage.de, www.konzerthaus-dortmund.de
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