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Lauscht den Anekdoten Jane Fondas: Daniel Brühl in „Und wenn wir alle zusammenziehen?“
Foto: Presse

„Ich kam mir so furchtbar langweilig vor“

29. März 2012

Daniel Brühl über „Und wenn wir alle zusammenziehen?“, seine Blockbuster-Erfahrungen und Niki Lauda - Roter Teppich 04/12

Daniel Brühl ist einer der international gefragtesten deutschen Schauspieler. 1978 in Barcelona geboren und als Sohn einer Spanierin und eines Deutschen zweisprachig aufgewachsen, glänzte er nach seinem Durchbruch mit „Good Bye, Lenin!“ schnell auch in Großproduktionen wie „Das Bourne Ultimatum“ oder „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino. In „Und wenn wir alle zusammenziehen?“ spielt er einen Studenten, der in einer Senioren-WG Feldforschung betreibt.

choices: Herr Brühl, Sie stehen in „Und wenn wir alle zusammenziehen?“ mit einer ganzen Reihe lebender Legenden vor der Kamera. Vor wem hatten Sie denn im Vorfeld den meisten Respekt?
Daniel Brühl:
Ehrlich gesagt: vor der ganzen Bande (lacht). Ich habe schon so viele Filme von denen allen gesehen, dass ich von dem ganzen Ensemble beeindruckt war. Das erste Treffen, lange vor dem ersten Drehtag, war ein gemeinsames Abendessen in Paris. Dabei kam ich mir, im Gegensatz zu den anderen, dermaßen langweilig vor, denn sie haben alle so wahnsinnig viel erlebt und auch ganz irre Zeiten mitgemacht. Im Privaten wie auch im Filmbereich, da haben sie so viele Klassiker gemacht. Wenn Jane Fonda und Geraldine Chaplin zusammensitzen, wenn eine Fonda auf eine Chaplin trifft, dann kann man sich schon vorstellen, wie die über Hollywood reden! Bei jedem Vornamen, den sie nannten, konnte man sich automatisch den Nachnamen dazu denken. Da habe ich richtig mit den Ohren geschlackert. Als sie mich dann zu mir befragten, kam mir alles so furchtbar langweilig vor. Ich hatte nicht das Gefühl, die anderen noch mit irgendetwas beeindrucken zu können. Sex, Party, Wahnsinn, unglaublichste Filme, unglaublichste Leute, man konnte sie mit nichts mehr beeindrucken. Das war fast schon ein deprimierendes Gefühl. Hinzu kommt dann aber noch, dass sowohl die Männer als auch die Frauen extrem cool sind. Jane Fonda lud uns immer mal wieder zu Rockkonzerten ein, weil sie irgendwelche Musiker kannte, und da bin ich dann mit den ganzen Omis und Opis zu Konzerten in Paris gerannt, das war einfach sehr lustig und cool.

Sie haben ja bereits in „Der Duft von Lavendel“ und „Dinosaurier“ mit einer ganzen Reihe älterer Co-Stars vor der Kamera gestanden. Ist das Zufall oder reizen Sie insbesondere Filme, die solch generationenübergreifende Themen haben?
Es ist irgendwie beides. Zum einen reizen mich diese Themen, zum anderen ist es natürlich Zufall, dass man solche Angebote bekommt und die Filme dann auch zustande kommen. Schon während meiner Zivildienstzeit hatte ich die Idee zu einem Film, bei dem es um die Begegnung eines jungen Menschen mit einem alten geht. Filme wie „Harold und Maude“ mochte ich auch schon immer.

Beschäftigen Sie sich selbst auch schon mit dem Älterwerden und den Problemen, die dann auftreten könnten?
Da denke ich schon gelegentlich drüber nach, man sollte sich dem auch nicht verschließen. Beim Zivildienst war das für mich eine ganz einschneidende, schockierende Erfahrung, dass sich alte Leute einigeln, gar nicht mehr besucht werden, in totaler Einsamkeit vor sich hinsiechen. Das ist der Horror. Die einzige Freude, die sie dann noch hatten, war einmal in der Woche der Besuch des Zivildienstleistenden. Für mich als Neunzehnjährigen, der gerade aus dem Gymnasium kam und noch grün hinter den Ohren war, war das eine sehr extreme Erfahrung: plötzlich in Wohnzimmer hineinzuschauen, in denen totale Einsamkeit und Schrecken herrscht. Deswegen versucht man, das im eigenen Familien- und Freundeskreis dann anders zu machen, dem nicht aus dem Weg zu gehen und sich miteinander zu unterhalten. Das ist doch auch unglaublich spannend, dieser Film ist das beste Beispiel. So viele interessante Schauspieleranekdoten habe ich zuvor noch nie gehört. Vor allem Jane Fonda ist eine sehr offene und redselige Person, die teilweise wirklich Unfassbares erzählte, was man in einem Interview gar nicht wiederholen kann. Ich finde es auch toll, dass Jane Fonda im Alter noch so fit ist, Bücher schreibt und eine Obsession für das Bloggen hat, was ich auch total süß finde. Da ist sie technisch viel weiter und interessierter, als ich es bin (lacht). Das ganze Twittern und Bloggen bringt mir selbst nicht besonders viel, aber ich finde es gut, dass sie sich auf diese Weise mitteilen möchte. Es wäre schade, wenn diese ganzen Erfahrungen und Geschichten mit dem Ende eines Lebens verloren gehen würden. Deswegen habe ich für mein eigenes Alter auch vor, bestimmte Sachen festzuhalten, weil es einfach viel zu schade wäre, wenn sie verschütt gehen würden, wenn man stirbt.

Im spanischen Film sind Sie mittlerweile genauso zu Hause wie im deutschen, diese Rolle haben Sie nun auf Französisch gedreht. War das eine besondere Herausforderung?
Die Tatsache, dass ich im Film einen Ausländer spiele, hat mir da schon ein bisschen Sicherheit gegeben. Ich wusste, dass ich relativ gut Französisch sprechen kann, vor allen Dingen meine Aussprache ist ziemlich gut, das sagen zumindest die Franzosen. Wir haben auch angeheiratete französische Verwandte in der Familie, deswegen bin ich auch ein wenig mit Französisch groß geworden, und es war auch in der Schule eines meiner besten Fächer. Die Sprache liegt mir, ich mag die auch sehr gerne, insofern hatte ich keinen Bammel davor. Ob ich mal einen richtigen Franzosen spielen könnte, das weiß ich allerdings nicht. Auf jeden Fall habe ich große Lust, in Frankreich zu arbeiten, denn die Situation im europäischen und deutschen Film wird ja nicht leichter. Man ist immer auf der Suche nach den wenigen Perlen und guten Filmen, die einen noch vom Hocker reißen können, und in letzter Zeit haben mich vor allen Dingen französische Filme wieder umgehauen, das ist für mich derzeit wirklich filmisch das stärkste Land in Europa. Ich habe „Poliezei“ gesehen, der mich extrem beeindruckt hat. Auch die Erfolgskomödie „Ziemlich beste Freunde“ finde ich für ihr Genre sehr gelungen. Sowohl bei ganz harten Themen, wie beispielsweise „Ein Prophet“ von Jacques Audiard, als auch für die Komödie haben die Franzosen wirklich ein Händchen. Manchmal denke ich schon, dass man sich da ein Scheibchen von abschneiden könnte. Mein Wunsch ist nach wie vor, an so vielen Orten wie möglich zu arbeiten. In Spanien vor allen Dingen weiterhin, aber auch in Frankreich, England und dann natürlich ab und zu USA wäre auch nicht schlecht.

Wenn Ihre im Ausland gedrehten Filme dann am Ende in Deutschland gar nicht laufen, schmerzt Sie das besonders?
Mittlerweile ist mir das eigentlich ziemlich egal, so schlimm das auch ist. Vor ein paar Jahren hätte es mich zumindest gefreut, dass sich Freunde und die Leute, die einen gut kennen, die Filme ansehen können, die man im Ausland gedreht hat. Das hat mich natürlich auch stolz gemacht. Aber ich habe gemerkt, dass das so schwierig geworden ist, dass bestimmte Filme auch gar nicht angenommen werden, und dass sich das auf absehbare Zeit auch nicht ändern wird. Das muss ich dann einfach so hinnehmen. Ich bin immer froh, wenn der Film im Produktionsland selbst gut ankommt, das ist mir schon wichtig. Vor ein paar Jahren waren wir auch in Deutschland noch an einem ganz anderen Punkt, jetzt sind hier die wirklich interessanten Geschichten eher die Ausnahme. Vor einigen Jahren gab es eine Welle, da hatte ich auch im Ausland den Eindruck, dass die Menschen mit sehr gespannten Augen auf die deutschen Produktionen blicken. Diese Zeit ist mittlerweile vorbei. In Spanien und auch in Frankreich fragt mich heute niemand mehr nach einem deutschen Film, der findet in deren Augen gar nicht mehr statt. Auch die lokalen deutschen Kinohits, insbesondere die Erfolgskomödien, sind mir da echt zu wenig. Da müsste es schon noch etwas anderes geben, vor allen Dingen Filme, die auch im Ausland wahrgenommen werden.

Sie stehen gerade in „Rush“ als Niki Lauda für Blockbusterregisseur Ron Howard vor der Kamera …
Ja, ich bin sehr glücklich, das läuft sehr gut. Das ist eine tolle Erfahrung, so etwas habe ich bisher wirklich noch nicht gemacht.

Ist das nicht alles etwas unpersönlicher, bei solch einem großkalibrigen Film?
Komischerweise nicht, denn Ron Howard ist ja schon sehr lange Regisseur – und auch Schauspieler, und das merkt man extrem, denn er stand schon als Vierjähriger vor der Kamera! Sein ganzes Leben und das seiner ganzen Familie steckt in diesem Beruf, was eine Fülle an Erfahrung und Selbstbewusstsein mit sich bringt. Die vierwöchigen Dreharbeiten haben allein logistisch eine ganze Menge abgefordert, und trotzdem ist er nicht einmal laut oder nervös geworden, er hat immer die Ruhe behalten. So etwas strahlt natürlich auf das ganze Team und die Schauspieler aus, weswegen da eine extrem lockere, lustige und coole Atmosphäre herrscht. Das ist insgesamt sogar netter und entspannter als bei Filmen, die weniger kompliziert zu drehen sind. Es zeigt sich, dass alle Beteiligten richtige Vollblutprofis sind.

Hatten Sie im Vorfeld Kontakt mit Niki Lauda?
Ja, ein paar Mal. Das ist zum Glück auch gut gelaufen, denn er hatte mir vor dem ersten Treffen zunächst gesagt, ich solle nur Handgepäck mitbringen. Falls man sich nicht verstanden hätte, wäre ich wohl direkt am ersten Tag wieder abgeflogen (lacht). Aber ich bin dann doch drei Tage in Wien geblieben, und zum Schluss hat er mich dann sogar gefragt, ob ich mit ihm nach Brasilien möchte, er würde mich dann mitnehmen in seiner eigenen Maschine, die er selbst fliegen würde. Da mir so etwas im Leben sicherlich nicht noch einmal passiert, habe ich natürlich sofort zugesagt. Dann hat er mich in São Paulo mit aufs Rennen genommen, und auch dort konnten wir uns dann noch sehr intensiv über ihn und sein Leben unterhalten. Er hat mir alles sehr offen und ohne Bedenken dargelegt. Auch jetzt unterstützt er mich noch nach wie vor, er hat mich am Wochenende angerufen, nachdem er erste Muster gesehen hatte, die er richtig super fand. Das ist mir auch sehr wichtig, da ich hier zum ersten Mal eine Berühmtheit spiele, die noch lebt.

Sie haben gesagt, dass Sie sich auch vorstellen könnten, mal ein Drehbuch zu schreiben. Wie könnte das dann aussehen, wäre das eher eine international vermarktbare Geschichte oder doch was rein Deutsches?
Nein, auf keinen Fall etwas rein Deutsches, denn ich wohne ja mittlerweile halb in Spanien, da interessiert mich immer mehr, wie wir es schaffen können, europäische Geschichten zu erzählen. Mir gefällt die Unterschiedlichkeit auf engem Raum, die wir hier in Europa haben, so unglaublich gut. Mittlerweile kenne ich auch genügend Leute, mit denen ich mich bei solch einem Projekt zusammentun könnte. Ich fände das auch sehr spannend, die zusammenzutrommeln, allerdings nicht als erzwungenen Euro-Pudding, sondern als etwas, was aus sich selbst heraus Sinn ergibt. Ich habe da schon zwei oder drei Ideen, an denen ich lose dran bin. Im Moment musste ich mein Buch über Barcelona („Ein Tag in Barcelona“, erscheint am 14.9. 2012 als eBook; die Red.) fertig stellen, das hat mich ziemlich viel Zeit gekostet. Ich glaube auch, dass ich noch nicht gut genug bin, selbständig und alleine ein Drehbuch zu schreiben, vielleicht kann ich zunächst einmal eine erste Fassung schreiben, die andere dann zu einem richtigen Drehbuch weiterschreiben. Aber ich verfolge diese Idee weiterhin.


Frank Brenner

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