Quallen quollen reichlich im Ambiente einer leerstehenden Fabriketage, eine Plage überzog die imaginäre Bühne. Es sollten wohl Gorgonen sein, Töchter eines Meeresgottes, deren eine, Medusa, Schlangen statt Haarpracht präsentierte. Aber auch Leute, kostümiert wie die Spermien in einem Kultfilm Woody Allens, trieben hier ihr Unwesen. Spidermen und -women wirbelten an Seilen und färbten in der Luft hängend Schrift und Bilder auf einen hauchzarten Gaze-Store. Später wurden Figuren aus einem großen Menschenschädel aus den Augenhöhlen heraus kanoniert, grauenhafte Außerirdische zappelten in einer auskomponierten „Spiel im Spiel“-Szene. Dies alles birgt die neue Inszenierung der Opéra comique „Benvenuto Cellini“, eine sehr selten aufgeführte Oper von Hector Berlioz, mit der die Kölner Oper und der neue GMD Francois-Xavier Roth im neuen Ausweichquartier „Staatenhaus“ die neue Saison eröffnet hat.
„La Fura sind da sehr flexibel“, so hieß es im Vorfeld aufkommender Schwierigkeiten über das katalanische, einst avantgardistische Regieteam „La Fura dels Baus“, das sich mit einer gelungenen Regieleistung zu einem Stockhausen-Wagnis in die Kölner Herzen eingebrannt hat. Die Berlioz-Inszenierung sollte eigentlich die neu eröffnete Kölner Oper am Offenbachplatz festlich einweihen. Dies hatte sich kurz vor der anberaumten Premiere als unhaltbar erwiesen, bereits gedruckte Jahresprogramme wurden wieder eingestampft, das Interim um zwei Jahre verlängert. Jüngste Entwicklungen weisen allerdings auf eine weitere Interims-Verlängerung hin, sodass die neue Bleibe auch Quartier für viele kommende Jahre werden könnte – wenn sie denn überhaupt zur Verfügung steht.
Trotzdem ein Blick auf das Staatenhaus. Raum bietet die Halle genügend, Hallensegmente sind durch Vorhänge flexibel abzugrenzen, die Raumhöhe lässt einiges zu. Die Fußwege sind weit, schon der Anmarsch vom Deutzer Bahnhof aus erfordert 15 Minuten zügigen Schrittes; das hören nicht nur die „grauen Wölfe“ nicht gern. Da ja in diesen Hallen kein Orchestergraben vorhanden ist, bildet die Position des Orchesters eine schwierige Aufgabe. Jetzt saß das Städtische Orchester relativ weit hinter der Szene wie ein Fernorchester. Es wehte zwar feiner Klang bis zur Publikumstribüne, Stimmen und Orchester mischen kann aber so niemand. Chor und Extrachor wurden vom Chordirektor eingelotst, der mit Rapper-Kappe getarnt vor der Bühne und neben einer Co-Dirigentin hockte, die den Solisten die Einsätze andiente.
Die Not zeitigt hier ein verrücktes Strickwerk, fast so verrückt wie die Inszenierung selbst, die mit tollen Bildern, origineller Akrobatik und unglaublich großen Bühnenmaschinen die Verwirrung des Betrachters zu einem großen Fragezeichen steigert. Wären jetzt die Sänger durchgängig so gut wie die Musik und so laut wie die Bilder gewesen, ich hätte es gern berichtet. Den Gipfel markierte der Tenor des Cellini – hoffentlich war er indisponiert. Dann gute Besserung.
„Benvenuto Cellini“ | Do 26.11., Sa 28.11.19 Uhr | Oper Köln, Staatenhaus | 0221 22 12 84 00
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