Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Die Liebe zu den drei Orangen“
Foto: Thilo Beu

Genießt und lacht!

22. Dezember 2015

„Die Liebe zu den drei Orangen“ in Essen – Oper in NRW 01/16

Es scheint nicht gerade so, als sei Sergej Prokofjew der Gunst des Publikums hinterher gelaufen. Mit seiner „Liebe zu den drei Orangen“ negierte er so ziemlich alles, was dem Opernpublikum lieb und teuer war: Er lieferte keine Ohrwürmer, keine psychologischen Entwicklungen oder pathetische Gesten. Ohne einflussreiche Fürsprecher in seiner neuen Heimat USA wäre die Groteske wohl nicht so schnell auf die Bühne gekommen. Doch das Stück hatte bei seiner Uraufführung 1921 überraschend großen Erfolg – erst in den USA, dann sogar weltweit. Bis heute ist der kurze Vierakter für ein Stück der Klassischen Moderne erstaunlich zugkräftig. Der Schlüssel zum Erfolg mag sein, dass der Komponist sich schon vor Beendigung der Partitur davon verabschiedet hatte, die abgehobenen theatertheoretischen Hintergründe der satirischen Handlung ernsthaft transportieren zu wollen. Ihm genügte der Spaß am Grotesken. So ist es bis heute geblieben. Die Essener Aalto-Oper hat nun eine Inszenierung von Laurent Pelly auf die Bühne gebracht, die vor rund zehn Jahren bereits in Amsterdam zu sehen war und nur eines sein will: ein harmloser bunter Spaß.

Das Gute daran: Regie-handwerklich und optisch ist die Produktion durchaus ein Knüller. Bühnenbildnerin Chantal Thomas nimmt das Kartenspiel des ersten Aktes, in dem die böse Fee „Fata Morgana“ (Teiya Kasahara) Macht über den melancholischen Prinzen (Alexey Sayapin) gewinnt, zum Ausgangspunkt beinahe sämtlicher Kulissen. Der Palast wird zum Kartenhaus; König (Tijl Faveyts), „Buben“ und Damen scheinen direkt den Spielkarten entsprungen zu sein. Für die überaus wirkungsvollen Kostüme zeichnet übrigens Regisseur Pelly selber verantwortlich. Stringenz und Ideenreichtum dieses Ausstattungskonzepts verdienen höchstes Lob!

Schattenseite des Augenschmaus‘: Nach satirischer Bissigkeit sucht man in dieser Produktion leider absolut vergeblich. Pelly präsentiert ein eher biederes Opernmärchen für die ganze Familie – bunt und unterhaltsam, aber nur mäßig komisch, weil gänzlich das Überraschungsmoment fehlt. Dabei bietet sich der Stoff durchaus dazu an, komödiantisch zu überdrehen. Doch dazu braucht es eine Lust am Anarchischen, die Pelly, dem langjährigen Operndirektor aus Frankreich, völlig abgeht. Immerhin gibt er auch nichts anderes vor. Wenn sich Tenor Albrecht Kludszuweit als kleiner dicker Spaßmacher Trufaldino zum letzten Akt mit Popcorn ins Publikum setzt, bringt das Pellys Intention wohl auf den Punkt: Genießt und lacht!

Für die Ohren ist der Genuss ebenfalls gewährleistet. Dirigent Yannis Pouspourikas reizt die Partitur mit hoher Differenziertheit aus und fordert dabei den Solisten mitunter einige Kraftakte ab – welche sie allerdings gut bewältigen.

 

„Die Liebe zu den drei Orangen“ | R: Laurent Pelly | Do 7.1., Fr 22.1. je 19.30 Uhr, So 17.1. 18 Uhr | Aalto-Musiktheater Essen | 0201 812 20

Karsten Mark

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Die leisen und die großen Töne

Lesen Sie dazu auch:

Goldene Flügel der Sehnsucht
Großes biblisches Drama: „Nabucco“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/24

Triumph der Güte?
„La Cenerentola“ in Essen und Hagen – Oper in NRW 12/24

Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24

Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24

Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24

Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24

„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Interview 06/24

Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24

Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24

Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24

Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24

Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24

Oper.

HINWEIS