Sein Pianospiel und sein Kompositionsstil veränderten die Jazz-Welt: Dave Brubeck erlag am Mittwoch in Norfolk Conneticut mit 91 Jahren an einem Herzversagen.
Die Gegensätze hätten kaum größer sein können. Hier an der Ostküste die unzähligen Jazz-Tempel wie das Cotton, in denen die Solis immer enthemmter und die Arrangements immer kürzer gerieten. Dort der fein ausgeglichene, akademisch geschulte Kompositionsstil eines Dave Brubeck, dessen Kunst darin bestand, Improvisation und Arrangement fließend ineinander schmelzen zu lassen. Auch politisch hatte dies seine Brisanz. Dort die afroamerikanischen Musiker, für die Jazz ein spielender Ausweg aus der Armut war und hier die weißen Jazz-Künstler mit College-Abschluss. Dazwischen lagen zahlreiche Staaten, die ihre Rassentrennung noch voll praktizierten. Dies kriegte Dave Brubeck mit seinem Quartett 1960 auch zu spüren, als man ihn darum bat, seinen schwarzen Bassisten Eugene Wright gegen einen weißen auszutauschen. Die geplante Tour fand daraufhin nicht statt. Seinen eigenen Weg schlug der Sohn eines Ranch-Farmers aus Nordkalifornien ebenso kompromisslos im Jazz ein. Ohne Noten lesen zu können landete er auf dem Mills College - und flog deswegen von dort auch fast wieder.
Schon früh brillierte er aber durch eine Intuition für Harmonik und Kontrapunkte, was später durch Vorlesungen u.a. beim emigrierten Arnold Schönberg an der University of California gefördert wurde. Nach ersten Banderfahrungen in der Army und dem Oktett „The Jazz Workshop Ensemble“, bei dem er seinen jahrelangen Weggefährten und Saxophonisten Paul Desmond treffen sollte, gründete er 1951 das Dave Brubeck Quartett. 1954 zierte sein Gesicht den Titel des Time-Magazine als zweiter Jazz-Musiker nach Louis Armstrong, wobei dem guten Satchmo auch viele andere hätten folgen können – aber wir waren eben noch in den Fünfzigern. Der absolute Durchbruch kam dann mit dem Album „Time Out“, einem Werk fernab von damaligen Jazz-Konventionen, experimentell in all seinen sieben Stücken und dennoch die damals erfolgreichste Jazz-Platte aller Zeiten. Über eine Million Mal wurde das Album mit dem Ohrwurm „Take Five“ verkauft – trotz einer „ablehnenden Haltung“ bei der Jazz-Kritik, wie Brubeck mehrmals sagte.
Brubeck verewigte sich darauf als Jazz-Musiker in Person. Seien es Bach-Fugen, Zwölf-Ton-Kontrapunkte, afrikanische Drum-Patterns oder türkische Folklore im 9/8-Takt wie in dem legendären „Blue Rondo A la Turk“ – alles schien möglich und harmonisch miteinander grooven zu können. Seine Spieltechnik am Piano trieb eingesessene Jazz-Kritiker auf die Palme, wechselte er freigiebig von klassischen Passagen zu den schrillen, abgehakten Block-Akkorden. Vieles davon verdankte er seinem Mentor und Lehrer, dem französischen Komponisten Darius Milhaud. Nach der Auflösung des Dave Brubeck Quartetts 1967 trat er häufig mit Garry Mulligan auf und erkundete weitere, vom Jazz unangetastete Musikstile, die ihm als Vorlage für Kompositionen dienten. Auf seinen Erfolg mit „Time Out“ angesprochen, antwortete er nahezu ironisch: „Manche Leute mögen in der Lage sein auf eine wissenschaftliche Art zu untersuchen, was der Masse gefällt, aber das könnte ich nie. Ich denke, es muss die glückliche Kombination aus einer anziehenden Melodie, einem beständigen Rhythmus und dem musikalischen Klima seiner Zeit sein.“
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