Ist das eine Wende in der bisher hartnäckigen Einstellung der Stadt Köln zur Tanzkunst? Im Herbst zeigen in Emanuele Soavi und Stephanie Thiersch ein Choreograf und eine Choreografin der Freien Szene mit ihren Ensembles ihre Produktionen – im Staatenhaus, dem bisherigen Interim der Oper Köln. Das Stadttheater öffnet sich dem freien Potential. Eine Geste, die längst überfällig war. Soavi, gebürtiger Italiener aus Ferrara, seit elf Jahren die herausragende Persönlichkeit unter den Tänzern der Domstadt, wartet in seiner neuen Produktion mit acht Tänzern seines Ensembles „incompany“ sowie zwei Komponisten für elektronische Musik und zehn Musikern des Barockensembles der Duisburger Philharmoniker auf. „Es ergeben sich ganz neue Möglichkeiten durch das große Format“, erklärt er, der seine Produktionen in der Vergangenheit nur in der Alten Feuerwache, jenem Notquartier der Tanzszene, das sich nicht einmal richtig verdunkeln lässt, zeigen konnte.
Jetzt stehen gleich die Brandenburgischen Konzerte Nr. 4 und 5 von Johann Sebastian Bach auf dem Programm. Auf der großen Bühne bekommen nicht nur die Mitwirkenden ihren Platz, auch das Publikum darf sich seine Perspektive auf das Geschehen selbst wählen. Die Nähe zu den Zuschauern beschäftigt Soavi mit jeder neuen Produktion. Noch vor wenigen Wochen lud er die Menschen zu „Anima“ in ein elegantes Hotel an den Kölner Ringen. Kreuz und quer ging es durch den Hotelkörper, mitunter befanden sich Besucher am Fußende eines Bettes, in dem die Tänzer ihre Performance boten. Soavi selbst tranchierte auf einem Zimmer ein Herz mit bewundernswerter Muße.
Sein neues Stück trägt den Titel „Relics“. Dahinter steht die Vorstellung, dass wir im Zeitalter unverbindlicher elektronischer Kommunikation wieder den Kontakt zum Körper entdecken sollten. Erlebnisreiche Beziehungen könnten nur dort geschlossen werden, wo Menschen auch physisch einander begegnen. Soavi erinnert an die verschütteten Opfer von Pompeji, die Reliquien der Heiligen des Mittelalters oder die erstarrten Körper der Pathologie, er will sie freilegen wie ein Archäologe, sie vom Staub der Vergangenheit befreien. „Der Dialog zwischen zwei Personen steht für mich im Vordergrund“, erklärt der Italiener, der engen Kontakt zu seinen Landsleuten vom Aterballetto unterhält, das in seinen Produktionen wie keine andere Kompanie in Europa das Mysterium zwischen Mann und Frau in betörenden Bildern formuliert. Das Publikum kann sich die Körper anschauen und selbst entscheiden, welchem der Tänzer es während der Vorstellung, die ihren festlichen Rahmen mit Bachs Kompositionen erhält, folgt. Die Nähe schafft den intimen Moment, der sich in unsere Erinnerung eingräbt.
Am 14. September feiert „Relics“ im Theater Duisburg Premiere, in Köln ist die Produktion erstmals am 9. Oktober zu sehen.
„Relics“ | Do 14. & Sa 16.9. 20 Uhr | Theater Duisburg | 0211 27 40 00 | Mo 9. & Di 10.10. 19.30 Uhr | Oper Köln | 0221 28 01
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