„Es hat nichts mit Religion zu tun, auch nicht mit Politik. Nur mit den Menschen. Und Russland ist so riesig!“ Warme, aber glaubhaft vermittelte Worte des amerikanischen Saxophonisten Bill Evans nach einer Tour 2015 durch zehn Städte Russlands, u.a. quer durch Sibirien. Der Kölner Filmemacher Christoph Felder hat die einst von Miles Davis geadelte Ikone der Fusionmusik auf dieser Reise begleitet, vorab schon in seinem amerikanischen Anwesen besucht und liefert nun ein filmisches Portrait vom wohlbehüteten Amerikaner auf russischer Exkursion.
Neben beeindruckender Tapetenkultur und technischen Raritäten aus alten Tagen erfährt der Zuschauer und Hörer viel über den Perfektionisten Bill Evans, der vor jedem Auftritt noch Änderungen und Ideen ins Abendprogramm einbringt und auch nie müde wird, sich der ortsansässigen Presse zu stellen. Hier offenbart er am Rande Dinge wie seine Leidenschaft für Golf, das Malen und Fischen, ein amerikanischer Mensch aus Fleisch und Blut, den besonders die Weite des Landes begeistert und beeindruckt – das Reisen und das weite Land passen zu diesem Musiker, der sich nie mit einer Stilistik zufrieden gab und deshalb auch die Rolling Stones oder Willie Nelson beehrte. Und auch auf seiner Russian Tour serviert Bill keine kalte, technisch versierte Fusionmusik, sondern ganz erdige, ehrliche und groovige Töne: Soulgrass-Tour nennt er diesen Ableger, den er auch schon im Rheinland präsentiert hat, damals speziell mit einem Banjo-Spieler und rauem, kehligem Rockgesang.
Die Tourband prägt neben den schneidigen Hymnen aus dem Trichter des Saxophons die bluesige Stimme von Murali Coryell, dem Sohn des legendären Jazz-Gitarristen Larry. Mit dem Lead-Gitarrist Mitch Stein liefert dieser sich auch große Saiten-Schlachten, das rockt dann gewaltig im leicht verständlichen Elektro-Sound. Dave Anderson und Joel Rosenblatt ergänzen das Quintett, dem Kamera und Mikrophon nur selten von der Seite weichen. Aus dem übergroßen Fundus aus zehn Konzerten wurden lange Musikpassagen ausgekoppelt, die den Impressionen der sichtbar anstrengenden Reise mit Flieger, Transsibirischer Eisenbahn und rappelndem alten Lada entgegenstehen.
Der Film zeigt aber auch die Gesichter der russischen Menschen, die häufig von weit zu Fuß oder mit dem Fahrrad sich in ein vielfach ein- bzw. erstmaliges Erlebnis stürzen und das Konzert einer ihnen völlig unbekannten Band aufsuchen, vom kleinsten Fan bis zur Großmutter. Und dieser fremde amerikanische Sound erobert sein Publikum. Fast alle von Jazz und Soul völlig unbeleckten Neuhörer lassen sich auf den Rhythmus ein: Der Film „Groove“ ist deshalb viel mehr als eine Compilation von Konzertmitschnitten, sondern ein Zeitdokument über amerikanisch-russische Begegnung der besonderen Art. Dass sich dabei auch noch auf der Bühne der russische Starsaxophonist Igor Butman zum Duett mit Bill Evans einfindet, liefert auch für Evans-Kenner einen besonderen musikalischen Leckerbissen. Toll, dass solche Produktionen abseits aller Subvention überhaupt entstehen können.
Filmpremiere in Köln: Groove – with Bill Evans in Russia | So 4.3. 11.30 Uhr | Odeon | 0221 31 31 10
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