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Was will der Fremde im Dorf? Sam Riley in „Das finstere Tal“.
Foto: Presse

„Ich bin noch in einer Art Schockzustand“

30. Januar 2014

Sam Riley über „Das finstere Tal“, seine Deutschkenntnisse und seinen neu geborenen Sohn – Roter Teppich 02/14

Der 1980 in Leeds geborene Sam Riley erlebte seinen internationalen Durchbruch 2008 als Joy-Division-Sänger Ian Curtis in Anton Corbijns Film „Control". Bei den Dreharbeiten verliebte er sich in seine Leinwandpartnerin Alexandra Maria Lara, mit der er seit 2009 verheiratet ist. Ihr erstes gemeinsames Kind wurde gerade geboren. Nach Auftritten in Filmen wie „Brighton Rock“ oder „On the Road – Unterwegs" (als Jack Kerouac) ist Riley nun als mysteriöser Fremder im deutschen Gebirgswestern „Das finstere Tal“ im Kino zu sehen.

choices: Mister Riley, Ist für Sie ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen, nun in einem Western mitzuspielen?
Sam Riley:
Ja, absolut! Tom Tykwer war derjenige, der mir das Drehbuch zugeschickt hatte. Aus irgendeinem Grund hatte ich es noch nicht gelesen, als er mir eine Woche später eine Email schickte, in der er schrieb: „Ich gehe davon aus, dass Du das Drehbuch noch nicht gelesen hast, ansonsten hätte ich sicherlich mittlerweile eine Reaktion von Dir dazu.“ Ein deutscher Western klang in meinen Ohren doch etwas sonderbar. Aber nun hatte ich ein schlechtes Gewissen und begann das Buch zu lesen. Und dann las ich es wirklich von Anfang bis Ende, was eher ungewöhnlich ist. In der Regel liest man nur ein Viertel oder zehn Seiten und weiß dann schon, dass man es nicht machen will. Insbesondere bei Sachen, die man schon hundertmal gelesen hat. Sobald ich mit dem Drehbuch durch war, schickte ich Tykwer eine Mail und hoffte, dass die Rolle noch nicht anderweitig besetzt wurde. Nicht nur, dass das Buch mit einer Menge faszinierender Figuren angefüllt ist, das Genre ist auch eines meiner liebsten. Ich habe irgendwie den Eindruck, als ob ich meine gesamte Kindheit damit verbracht hätte, mich auf die Rolle in einem Western vorzubereiten!

Wie war denn Tom Tykwer in diese Produktion involviert?

So genau weiß ich das gar nicht, aber ich denke, das hat damit zu tun, dass er an X-Filme, der Produktionsfirma, beteiligt ist. Ich erfuhr später, dass mir Regisseur Andreas Prochaska zunächst das Drehbuch geschickt hatte. Und als meine Agenten sahen, dass es sich dabei um einen deutschen Western handelte, haben sie es abgesagt, ohne im Vorfeld mit mir darüber zu sprechen. Deswegen schaltete Andreas Tom Tykwer ein, der mich bezüglich des Drehbuchs direkt kontaktieren sollte. Dabei ist auch komisch, wie Andreas überhaupt auf mich kam. Er suchte nämlich querbeet unter britischen und amerikanischen Schauspielern zwischen zwanzig und dreißig Jahren. Als seine Wahl dann auf mich fiel, hatte er noch keinen meiner Filme gesehen und wusste auch nicht, dass ich mit einer Deutschen verheiratet bin und in Berlin lebe. Das war also ein purer Zufall. Als wir uns dann trafen, kamen wir von Anfang an wunderbar miteinander aus. Wir lieben dieselben Filme, nicht nur Western. Wir haben da einen sehr ähnlichen Geschmack. Ich habe ja schon früher ab und zu Amerikaner gespielt, aber Western werden heutzutage ja nicht mehr allzu oft gedreht.

Was wussten Sie im Vorfeld über deutsche Heimatfilme oder teutonische Western?
Ich habe mir den Heimat-Kanal auf Sky angesehen, aber meist sehr schnell wieder weggezappt, wenn ich ehrlich bin. Ich wusste zunächst nur sehr wenig darüber, nur das, was mir Alexandra dazu erklärt hatte. Und ich habe kürzlich eine Dokumentation über den französischen Schauspieler Pierre Brice gesehen. Ich hatte mich eigentlich für jemanden gehalten, der sich mit Filmen und Western im Speziellen ganz gut auskennt, aber von diesen Old Shatterhand- und Winnetou-Filmen hatte ich noch nie etwas gehört. Mit Terence Hill und Bud Spencer ist das ganz ähnlich – ich konnte nicht verstehen, warum deren Filme andauernd im deutschen Fernsehen gezeigt werden und ich von diesen amerikanischen Schauspielern noch nie etwas gehört hatte. Dann habe ich im Internet recherchiert und festgestellt, dass die beiden Italiener sind! Mit den italienischen Western, den Spaghetti-Western, kenne ich mich etwas besser aus. Klaus Kinski und einige andere deutsche Schauspieler haben ja auch in denen mitgewirkt. Aber erst als Vorbereitung auf „Das finstere Tal“ habe ich mir einige von ihnen dann auch angesehen.

Welche Erinnerungen haben Sie an die fantastischen Landschaften, die man im Film zu sehen bekommt?

Dass ich mich dort immer warm genug anziehen musste (lacht). Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie Ski gelaufen und war noch nie zuvor in den Bergen. Das war alles komplett neu für mich, was mir bei meiner Figur auch sehr geholfen hat. Immerhin war ich der einzige Engländer am Set, weswegen ich mir oft tatsächlich wie der Fremde im Dorf vorkam. Aber das war wirklich eine fantastische Kulisse. Ulkigerweise hatte ich unmittelbar davor in London einen großen Disney-Film, „Maleficent“, gedreht. Dort entstand alles im Studio vor Green-Screens, man wurde in Golfwagen durch die Gegend gefahren und hatte seinen eigenen luxuriösen Trailer. Danach den ganzen Tag in den Bergen zu sitzen und kein warmes Plätzchen zu haben war schon ein großer Unterschied – es hat aber trotzdem sehr viel Spaß gemacht. Irgendwie hat das die ganze Truppe enger zusammengeschweißt.

Sie haben Ihre Rolle komplett in Deutsch gespielt. Haben Sie für den Film Ihr Deutsch aufgebessert?

Zu Beginn hat mir Alexandra mit der Aussprache geholfen. Am Set war ich dann gezwungen, mehr zu lernen und zu verstehen. Denn obwohl die meisten anderen Schauspieler Englisch sprachen, waren die abendlichen Unterhaltungen und die Regieanweisungen doch meistens auf Deutsch. Zum Glück hatte ich im Film keine langen Monologe zu sprechen (lacht). Ich finde das toll. Es gibt nicht viele englischsprachige Schauspieler, die die Gelegenheit haben, in einer anderen Sprache zu spielen. Das ist wirklich eine Herausforderung. Und es hat Spaß gemacht. Im Gegensatz zu den Western aus den 60er Jahren mussten wir hier auch gar nicht vorgeben der Film würde in Amerika spielen. Und das funktionierte auf eine seltsame Weise, denn irgendwie fühlt es sich authentisch an, dieses Szenario in diesen abgelegenen Tälern zu haben.

Viele deutsche Schauspieler sehnen sich nach Rollen in US-Filmen. Was gefällt Ihnen als Engländer an Dreharbeiten in Deutschland?

Ich bin natürlich auch ehrgeizig. Der wichtigste Grund, warum ich gerne weiterhin in amerikanischen und britischen Produktionen arbeiten würde, ist die Tatsache, dass es dort gute Arbeit und interessante Figuren gibt. Das ist mir wichtiger als Ruhm und Geld. Meiner Meinung nach war „Das finstere Tal“ ein Projekt, das einem nicht häufig angeboten wird. Wenn es eine englische Produktion gewesen wäre, hätte ich die Rolle auch gerne gespielt. Ich habe das Glück, dass Englisch meine Muttersprache ist, das macht es einfacher für mich, in Amerika oder in so genannten internationalen Produktionen zu spielen. Ein deutscher Schauspieler kann noch so gut und talentiert sein, in amerikanischen Filmen wird man ihn meist darauf reduzieren, irgendwelche Soldaten oder Europäer zu spielen. Aber ich könnte wohl auch niemals einen Deutschen spielen, ich denke, mir bleiben da auch immer nur die Ausländer (lacht).

Sie haben gerade „Maleficent“ erwähnt – wahrscheinlich war diese Rolle komplett anders zu denen, die Sie bislang gespielt haben…

Das war eine sehr, sehr seltsame Erfahrung. Ich hatte zuvor wirklich nur in Indieproduktionen mitgewirkt, klassischen Arthouse-Filmen eben, in denen ich meist Kette geraucht und an irgendeinem Punkt geheult habe. Aber Kunstfilme sind nicht die einzigen, die ich mir selbst gerne im Kino anschaue. Ich mag auch Mainstreamproduktionen. Ich glaube zwar kaum, dass mich in absehbarer Zukunft irgendwann mal jemand als einen Superhelden besetzen wird, aber es war mal eine nette Abwechslung, an einer so großen Produktion beteiligt zu sein. Hauptdarstellerin Angelina Jolie hat ja auch Ecken und Kanten. Aber das war schon eine ganz andere Dreherfahrung (lacht). Ich sterbe nicht, ich rauche nicht, und ich habe auch keine Liebesszene. Insofern waren es für mich sicherlich gesündere Dreharbeiten! Aber man verbrachte eine Menge Zeit in der Maske. Es dauerte täglich vier Stunden, bis alles an einen drangeklebt war. Aber das war auch irgendwie spaßig. Und es ist schön, mal einen Film gedreht zu haben, den mein Sohn auch schon ansehen kann, bevor er achtzehn Jahre alt ist!

Wie hat sich Ihr Leben denn verändert, seit Sie Vater geworden sind?

Das ist noch zu früh, dazu etwas zu sagen. Er ist ja erst zweieinhalb Wochen alt. Es fällt mir noch sehr schwer, das zu beschreiben. Die Erfahrung ist so vollkommen anders als alles, was ich bislang erlebt habe. Wahrscheinlich bin ich noch in einer Art Schockzustand – aber ein glücklicher Schockzustand (lacht).

INTERVIEW: Frank Brenner

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