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choices-Flugblatt anlässlich des ersten Birlikte-Festes 2014
Foto: Presse

Schlecht gebrüllt, Antifa

08. Juni 2016

Wie gehen wir mit der AfD um? Eklat bei Birlikte 2016 – Spezial 06/16

Am 5. Juni verhinderten rund hundert Protestierende eine geplante Diskussionsrunde, zu der Intendant Stefan Bachmann und Meral Sahin von der IG Keupstrasse gemeinsam mit WDR 5 und unterstützt von der AG Arsch Huh im Rahmen des Birlikte-Festivals ins Depot 1 geladen hatten. Der Grund: Auch AfD-Mitbegründer Konrad Adam sollte auf der Bühne diskutieren.

Die Argumente der AktivistInnen für den Protest konzentrieren sich auf zwei aufeinander aufbauende Punkte: Einer Partei wie der AfD und deren Ansichten dürfe kein Forum geboten werden. Erst recht nicht auf einer Veranstaltung wie Birlikte, die im Gedenken an die Opfer des NSU-Nagelbombenanschlags von 2004 in der Keupstrasse ins Leben gerufen wurde.

Sollte man der AfD ein Forum bieten und ist Birlikte der falsche Ort? Das reflexhafte Medienverhalten, jede verbale Entgleisung der AfD auf den Titelseiten, in den Nachrichten und Online-Plattformen zu verbreiten, verschafft der Partei viel Aufmerksamkeit. Ob es dabei um den Informationsgehalt geht oder Redaktionen dabei auf Zugriffszahlen und Klicks dank Skandalwirkung schielen, sollte offen hinterfragt werden.

Naiv bis realitätsfern

Die Forderung, der AfD kein öffentliches Forum zu bieten, mutet im Digitalzeitalter aber naiv bis realitätsfern an. Würden „die“ Medien die AfD konsequent ignorieren – die Rechtspopulisten lösten sich nicht in Luft auf. Sie würden ihre Botschaften über eigene Kanäle in den Sozialen Netzwerken oder in den mit ihr sympathisierenden Medien verbreiten. Das würde zu einer Abschottung nach außen und zu einer Bestätigung der eigenen Haltung nach innen führen. Ein Abgleich oder eine Konfrontation mit anderen Weltbildern bliebe aus.

Es mag mühsam sein, der AfD immer wieder dabei zuzusehen zu müssen, wie sie bewusst Grenzen des moralisch und verfassungsrechtlich Sagbaren austestet in der Absicht, diese zu verschieben. Es bleibt aber notwendig, diesen Disput für alle sichtbar auszufechten und eine ebenso sichtbare Gegenöffentlichkeit zu schaffen.

In bestimmten Situationen sind die Unermüdlichkeit und das Mobilisierungspotential von Antifa & Co. sinnvoll. Eine öffentliche Kundgebung offen nationalistischer, rassistischer oder islamophober Äußerung erfordert ein Echo der Gesellschaft mit dem sie zeigt, dass sie solche Haltungen nicht duldet und verurteilt.

Bei einer Demonstration, der Definition nach eine „in der Öffentlichkeit stattfindende Versammlung zur Äußerung der Meinung“, geht es um eben jenes Zeigen von Meinungen. Wer schon mal mittendrin war weiß, dass aus Sicherheitsgründen eine physische Begegnung der politischen Lager von der Polizei vermieden wird. Dialog ist hier nicht vorgesehen, folglich bleibt nur der Weg des friedlichen, wenn auch lautstarken Widerstands.

Chance vertan

Es gibt aber auch andere Formen, um eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Was am 5. Juni im Depot 1 stattfinden sollte, war keine Demo der AfD, sondern eine Podiumsdiskussion, bei der verschiedene Meinungen aufeinandertreffen und diskutiert werden sollten.

Die Sorge, dass Konrad Adam als Stellvertreter der AfD dort eben nicht entzaubert würde, ist verständlich. Zu oft scheiterten namhafte Journalisten wie zuletzt Anne Will oder PolitikerInnen anderer Parteien daran, die Argumente der AfD zu widerlegen und deren als Wahrheit postulierte Faktenverzerrung als solche offen zu legen.

Aber Stefan Bachmann ist kein Journalist und auch kein Politiker der fürchten muss, irgendwann mit der AfD zu regieren. Seit Antritt seiner Intendanz zeigt er sich als politischer und gesellschaftskritischer Theatermacher. Vielleicht hätte er es vermocht, Konrad Adam die richtigen Fragen zu stellen? Wir werden es nie erfahren.

Auch Adams Reaktion auf Meral Sahins Frage, in welcher Form sie als muslimischer Mensch mit Migrationshintergrund ihn, seine Partei und sein Weltbild so störe, werden wir nicht erleben. Stattdessen sehen wir eine Partei, die sich erneut als Opfer stilisiert und ihre Sympathisanten darin bestätigt, dass man ja nichts sagen dürfe, was nicht in den „linksversifften Mainstream“ der „Lügenpresse“ passe.

Es ist schmerzhaft, muss aber gesagt werden: Die AfD ist – bei aller Hetze, geschickter medialer Opferstilisierung und rassistischer Äußerungen – derzeit eine erlaubte Partei. Sie kann nicht nur theoretisch gewählt werden, sondern wird auch gewählt, wie die letzten Landtagswahlen offenbart haben.

Wo, wenn nicht hier?

Das Birlikte-Fest wäre für eine solche Diskussion ein passender Kontext gewesen. Wo, wenn nicht an einem geschützten Ort, deren Rahmen durch seine bloße Existenz allein viele Argumente der AfD ad absurdum führt, sollte Rassismus und Islamophobie die Stirn geboten werden? Wenn wir mit unseren linken oder humanistischen Idealen immer unter uns bleiben, ist auch das Abschottung und Selbstbestätigung, die uns nur vermeintlich stark macht.

Die Entscheidung des Schauspiel Köln, der IG Keupstraße und Arsch Huh zu der Podiumsdiskussion mag eine zu einsame gewesen sein, die kritisiert wurde und auch kritisiert werden kann. Wenn sich aber diejenigen, die sich gemeinsam gegen Rassismus, Islamophobie und Diskriminierung jeglicher Art engagieren in Grabenkämpfen zerfleischen, ist das fatal.

Die AfD und ihre Resonanz offenbaren Probleme unserer Gesellschaft, die mit dem Slogan „Nazis raus!“ alleine nicht zu lösen sind. So ermutigend er auch klingen kann, wenn wir ihn gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten skandieren, greift er zu kurz. Mit unseren Neonazis, RechtspopulistInnen und Demokratiefeinden müssen wir hierzulande schon noch selber fertig werden.

Einen Masterplan dafür gibt es nicht. Darauf zu warten, dass sich Gauland, Petry, Höcke oder von Storch selbst entlarven wäre passiv und riskant. Eine Auseinandersetzung mit der AfD muss stattfinden, aber angepasst an die jeweilige Situation.

„Jede Widerstandsgeste, die kein Risiko in sich birgt und keine Wirkung hat, ist nichts als geltungssüchtig“, diese Worte legt Regisseurin Maria Schrader Josef Hader als Stefan Zweig in ihrem aktuellen Film „Vor der Morgenröte“ in Bezug auf den Nationalsozialismus in den Mund. Das Risiko der Widerstandsgeste am 5. Juni seitens der AktivistInnen war in einem Rechtstaat wie dem unseren gering, die Wirkung hat der AfD genutzt und ein falsches Signal gesetzt. Was bleibt, ist Geltungssucht.

Maxi Braun

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Conrad Veit, 10.06.2016

Endlich mal ein Aufruf zum Diskurs mit den Rechtspopulisten!

Hätte die Antifa mal lieber wieder die Panzer nachts pink angemalt, aber das war ein Schuss nach hinten. Ich denke auch, nur im Diskurs kann die AFD entzaubert werden. Die Einladung vom AFD-Mann Konrad Adam beim Berlikte 2016 war deshalb mutig, zu recht auch kontrovers, doch im Anbetracht an das Gedenken an die Opfer des Bombenanschlags doch genau in diesem Zusammenhang eine Chance. Eine Chance, die Ideologie der AFD als rassistisch bloß zu stellen. Zu zeigen, dass die AFD keinesfalls eine Partei der "kleinen Leute ist", sondern schlicht eine rassistische Partei, die Ängste schürt. Nicht mit Nazi-Diffamierung, denn das ist nur Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, sondern im Diskurs. Doch Wasser auf die Mühlen ist es eben auch, wenn wir das Gespräch mit den Rechtspopulisten verweigern. Damit ist Manu Dreyer im Landstagswahlkampf leider schon gescheitert. Der Vorwürf der "Lügenpresse" wird nur untermauert. Wollen wir das? Die Aktion der Antifa war ein Schnellschuss . Die AFD kann nur in der Sache demontiert werden. Alles andere verstärkt nur die Fronten. Darum danke! für einen Artikel, der zum Diskurs aufruft, anstatt bravo zu rufen, wenn er unterlaufen wird.

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